Münchens erste Äbtissin
Die Ordensfrau lächelt gern, davon zeugen viele kleine Fältchen um ihre dunklen Augen. Am Donnerstag hat Kardinal Reinhard Marx sie zur ersten Äbtissin Münchens geweiht.
Zu dem Festgottesdienst in der Abtei Sankt Bonifaz war viel benediktinische Prominenz gekommen, allen voran Abtprimas Notker Wolf , der Abt der Dormitio Jerusalem, Gregory Collins , und Augsburgs Altbischof Viktor Josef Dammertz. Carmen und ihre Mitschwestern sind ebenfalls Benediktinerinnen, auch wenn man das nicht auf den ersten Blick sieht, denn sie tragen ihr Ordensgewand nur beim gemeinschaftlichen Chorgebet.
Schwestern in Zivil
Wenn die Schwestern ihren Berufen nachgehen, sind sie in Zivil unterwegs: eine ist Kinderärztin, eine andere Bauingenieurin, eine Lehrerin. 20 Frauen leben zusammen in der Kommunität Venio im Stadtteil Nymphenburg. Die Jüngste ist 32, die Älteste 91 Jahre alt. Mittlerweile gibt es auch eine Außenstelle in Prag mit vier Schwestern.
Alle Ordensfrauen arbeiten Teilzeit, um ihren Beruf mit dem gemeinschaftlichen Leben gut vereinbaren zu können. Schwester Carmen ist beurlaubt, seit sie 2010 Priorin der Kommunität wurde. Bis dahin war sie ab 1991 Professorin für Sozialpädagogik an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München. Die promovierte Soziologin hat auch im Bereich "Berufs- und Arbeitskräfteforschung" der deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mitgearbeitet und die Frauenakademie München mitgegründet.
Zur Kommunität stieß sie 1997, nach längerem Suchen. "Ich war beruflich die Karriereleiter schon ziemlich hochgeklettert, habe gut verdient und war ehrenamtlich aktiv", erinnert sie sich. Doch sie habe sich damals gefragt, ob das schon alles gewesen sein könne. Bei Exerzitien in Bernried habe sie den benediktinischen Tagesrhythmus kennengelernt und war davon elektrisiert. Es habe sie zutiefst angesprochen, dreimal pro Tag "alles stehen und liegen zu lassen, um gemeinsam Gott zu preisen".
Kein traditionelles Koster
Allerdings wollte sie nicht in ein traditionelles Kloster eintreten. Die Exerzitienbegleiterin habe sie damals auf die Kommunität Venio hingewiesen, deren Mitglieder weiter berufstätig bleiben. "Dort bin ich dann ganz schnell ins Noviziat eingetreten, mit 47 Jahren eilt es dann doch", schildert sie ihre Lebenswende, und ihre Augen lachen wieder dabei.
Carmen Tatschmurat hat sich eine Grundhaltung der stets neuen, bewussten Entscheidung zu eigen gemacht. So hat sie sich ausdrücklich dafür entschieden, als Katholikin zu leben. Zwar war sie schon als Kind katholisch getauft worden, aber ihr Werdegang war alles andere als selbstverständlich. Ihr Vater war ein Muslim aus Turkmenistan, der für den US-Sender Radio Free Europe arbeitete. Ihre Mutter war eine katholische Heimatvertriebene aus dem Sudetenland.
Vierte Leiterin, erste Äbtissin
Zu den Herkunftsländern ihrer Eltern hatte sie lange keinen Bezug. Doch seit der Gründung der Prager Niederlassung, für die sie auch verantwortlich ist, pflegt sie lebhafte Kontakte nach Tschechien. Außerdem haben sich eine bayerische und eine tschechische Schwester entschieden, in der je anderen Niederlassung dauerhaft zu leben. Beim Chorgebet werden in beiden Häusern auch Teile in der jeweiligen Fremdsprache gesungen.
Die Kommunität Venio wurde 1927 von Münchnerin Marianne Johannes gegründet, die später Mutter Agnes hieß. Kardinal Michael Faulhaber erteilte ihr die Genehmigung zur Vita communis, zum gemeinschaftlichen Leben. Erst 1992 gab es die Anerkennung aus Rom. Schwester Carmen Tatschmurat ist die vierte Leiterin der Gemeinschaft - und ihre erste Äbtissin.
Von Gabriele Riffert (KNA)