Auf nach Santiago
Zu laut blubbern ihre dicken Maschinen: Hondas, Suzukis, Triumph und BMW. Die Motorradhelme dämpfen die Töne als "Alles meinem Gott zu Ehren" erklingt. Es ist nur ein Zufall, dass das Glockenspiel zu hören ist als diese Gruppe von Motorradfahrern in Erfurt eintrifft. Und doch ist es eine passende Begrüßung, denn die Biker mit Berliner Kennzeichen an den Maschinen sind Pilger.
Teil von etwas Größerem
Etwa ein Zehntel der 3.000 Kilometer langen Strecke haben die zehn Berliner an diesem Abend hinter sich. Der erste Tag ist geschafft. Die Wallfahrt wird sie in den nächsten Tagen durch Deutschland und Südfrankreich bis nach Santiago de Compostela in Spanien führen. Zum Grab des Heiligen Jakobus pilgern die Motoradfahrer. Biker duzen sich, egal woher sie kommen, egal wer sie sind, egal welchen Job sie machen, wenn sie nicht auf dem Motorrad sitzen.
Manfred ist einer von ihnen. Er wohnt in Apolda, ist katholisch und hat die Pilger ein Stück des Weges begleitet. Von der Landesgrenze bis in die Landeshauptstadt Erfurt hat er die Biker-Kollegen gelotst und erklärt, wie der Kontakt zu den anderen entstanden ist. "Ich habe den Bernd über GooglePlus kennengelernt", sagt Manfred, der Mann in der schwarzen Lederkluft.
Bernd heißt mit vollem Namen Bernd Schade und ist Pastor der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (EKBO). Bernd ist Motorradpfarrer und organisiert in Berlin den Kreis "Christ und Motorrad". Er hat diese Wallfahrt organisiert. "Motorradfahrer sind fromme Leute", sagt Bernd Schade. Motorradfahrer fahren gerne mit dem Segen Gottes. Sie lassen sich gern segnen, auch wenn nicht unbedingt ein Bekenntnis zu einer Religion vorhanden ist. "Das Bedürfnis von einer höheren Macht behütet sein zu wollen, ist bei Motorradfahrern stark. Als Pfarrer habe ich dieses Bedürfnis erkannt und segne die Menschen", sagt der Motorradpfarrer.
Hoffen auf Heilung
Evangelische und katholische Christen nehmen an dieser Wallfahrt teil, aber auch Menschen, die nicht getauft sind. Ina ist eine von ihnen. Sie fährt eine große BMW, ist weite Touren gewohnt und trägt eine schwarze Lederweste mit dem Logo von "Christ und Motorrad" auf dem Rücken. Gerade erst war sie alleine mit dem Motorrad in der Türkei. Jetzt ist die Dozentin auf dem Jakobsweg unterwegs. "Ich glaube schon, dass es eine höhere Macht gibt", sagt sie. "Wir kommen ja auch nach Lourdes. Da hoffen Menschen auf Heilung." Mit der Vorstellung, für sich etwas zu erbitten, tue sie sich schwer.
„Das Bedürfnis von einer höheren Macht behütet sein zu wollen, ist bei Motorradfahrern stark.“
Mit einer Andacht und einer gemeinsamen Bibellesung starten die Biker in den Tag. An Kirchen entlang des Weges machen sie halt, sprechen ein Gebet, singen ein Lied. "Am Abend ziehen wir ein gemeinsames Resümee", erklärt Bernd Schade. Am Abend dieses ersten Tages geht es zu Fuß auf Entdeckungstour in die Erfurter Altstadt vorbei am Bartholomäusturm, vom dem vorhin das "Großer Gott wir loben dich" erklang.
Von Markus Kremser