Wo der Barthel den Most holt
"St. Bartholomäus hat's Wetter parat, für den Herbst bis hin zur Saat" heißt es in einer alten Bauernregel. Der Gedenktag des Heiligen läutete für die Bauern seit alters her das Ende des Sommers ein. Das Getreide war abgeerntet, man begann mit der Aussaat für das nächste Jahr und mit den Vorbereitungen aufs Weihnachtsfest. Denn es wurden die Gänse und Karpfen ausgewählt, die bis zur Schlachtung vor dem Fest gemästet werden sollten.
Auch für Fischer hatte dieser Tag eine besondere Bedeutung. Die Laichzeit war beendet, und es durfte wieder gefischt werden. An Flüssen und Seen gab es am Bartholomäus-Tag Prozessionen der Fischer und Wettangeln, etwa im Fischerdorf Stralau bei Berlin. Wer den reichsten Fang machte, wurde Fischerkönig.
Üblich an diesem Tag waren auch Schäferläufe. Im Wettlauf ging es barfuß über ein großes Stoppelfeld. Der schnellste Bursche gewann einen mit Bändern geschmückten Hammel, das schnellste Mädchen ein Schaf. An diesen Brauch erinnern auch heute noch verschiedene Bartholomäus-Märkte, etwa im württembergischen Markgröningen. Bereits zu Anfang des 16. Jahrhunderts hat es dort jährlich am 24. August ein Schäfertreffen mit Schäferlauf gegeben. Dabei wurden Streitigkeiten geschlichtet. Lehrlinge losgesprochen und andere Angelegenheiten der Schäfer geregelt. Das in die Zunftlade eingezahlte Geld diente zur Unterstützung von Witwen und Waisen.
Volksfest zu Ehren des "treuen Schäfers Bartel"
Heute ist der Schäferlauf ein großes Volksfest, das um den 24. August herum an einem verlängerten Wochenende mit traditionellem Wettlauf und großem Feuerwerk gefeiert wird. Die Sagen zur Entstehung des Festes in Markgröningen ranken sich allesamt um die Gestalt des "treuen Schäfers Bartel". Ein württembergischer Graf soll den Schäferlauf zu dessen Ehren gestiftet haben. Auch in Oberstimm, einem Ortsteil von Manching im Landkreis Pfaffenhofen , gibt es einen Barthelmarkt - eines der ältesten Volksfeste Deutschlands. Es dauert vier Tage und findet immer am letzten Wochenende im August statt.
Der Heilige Bartholomäus war einer der zwölf Apostel, die Jesus auserwählt hatte (Matthäus 10,1-4). Sein Name bedeutet "Furchenzieher" und erinnert an den Beruf des Vaters. Als Missionar zog Bartholomäus durch Armenien und Mesopotamien. Sogar bis Indien soll er gekommen sein und dort eine hebräische Abschrift des Matthäus-Evangeliums hinterlassen haben. Viele Wunderheilungen gehen auf den Apostel zurück. So soll er eines Tages die Tochter des armenischen Königs Polymios von ihrer Besessenheit geheilt haben. Der König, seine Familie und andere königstreue Armenier wurden daraufhin Christen.
Der Bruder des Königs jedoch war Bartholomäus nicht wohl gesonnen. Er nahm ihn gefangen und ließ ihn auf grausame Weise foltern. Dem Heiligen wurde bei lebendigem Leib die Haut abgezogen, bevor man ihn ans Kreuz schlug. Und so wird Bartholomäus oft mit einer abgezogenen Haut in beiden Händen dargestellt, etwa in Michelangelos Gemälde "Jüngstes Gericht" in der Sixtinischen Kapelle. Spätere Legenden berichten, dass die Gebeine des Heiligen auf die Insel Lipari nördlich von Sizilien und dann nach Benevento in Italien gebracht worden seien. Kaiser Otto II. ließ die die Gebeine schließlich nach Rom überführen. Einige der Reliquien wurden nach Frankreich, andere nach Canterbury in England gebracht.
Schädelreliquie in Frankfurt
Die Schädelreliquie kam um das Jahr 1200 als Geschenk von Kaiser Friedrich Barbarossa nach Frankfurt am Main. Am 24. August 1239 erhielt der Dom offiziell den Namen des Heiligen. Die Reliquie wird auch heute noch am Fest des Heiligen Bartholomäus im Rahmen eines festlichen Hochamtes und einer Prozession gezeigt. Jahr für Jahr werden im Anschluss an die traditionelle Bartholomäus-Vesper im Dom besonders engagierte Ehrenamtliche mit der Bartholomäus-Plakette ausgezeichnet. Ein Blickfang im Frankfurter Dom ist das aus dem Mittelalter stammende Bartholomäusfries. Es zeigt in 27 Bildern das Leben und das Martyrium des Heiligen. Von 1977 bis 1986 wurde es vom Frankfurter Künstler Friedrich Leonhardi restauriert.
Der heilige Bartholomäus gilt als Schutzpatron unter anderen der Bauern, Hirten, Fischer und Winzer. Für Bauern und Winzer war der 24. August ein wichtiger Lostag. Wirte konnten ihr Schankrecht verlieren, wenn sie am Bartholomäus-Tag noch keinen Most hatten. Die Trauben wurden zwar erst Ende Oktober gelesen. Aber der aus Äpfeln und Birnen gekelterte Saft war in bäuerlichen Gegenden ein idealer Durstlöscher an heißen Spätsommertagen.
Im "Simplicius Simplicissimus", einem Schelmenroman aus dem 17. Jahrhundert von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, ist die Rede von einem gewissen Barthel, der immer wusste, wie und wo man am besten an den begehrten Most herankam. Seitdem bedeutet die Redewendung "Wissen, wo der Barthel den Most holt", dass jemand besonders klug und gewitzt ist. Eine weitere Redensart - allerdings aus der Gaunersprache - lautet: "Zeigen, wo der Barthel den Most holt". Möglich ist folgende Deutung: Barthel geht auf das aus dem Hebräischen stammende Wort "barsel" zurück, und das bedeutet "Brecheisen". "Most" entspricht dem jiddischen "Moos" gleich "Kleingeld". Wer also ein Brecheisen besitzt und weiß, wo Kleingeld zu holen ist, bereichert sich durch Gaunerei. Doch weh dem, der zu hören bekommt "Dir werd' ich zeigen, wo der Barthel den Most holt". Das heißt nämlich nichts anderes als: "Dir werd' ich zeigen, wo's langgeht!"
Von Margret Nußbaum