Das Ordensleben ist für viele Zweifler faszinierend

Raus aus der Kirche, rein ins Kloster

Veröffentlicht am 26.03.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Spiritualität

Bonn ‐ Ins Kloster zieht es immer mehr Sinnsuchende, die mit der Kirche nicht mehr viel anfangen können. Sie schätzen das einfache und geregelte Ordensleben. Und manchmal finden sie sogar zum Glauben zurück.

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Nein, katholisch ist Hedwig Baumann (*Name geändert) nicht. Als Kind wurde sie zwar evangelisch getauft, aber aus der Kirche ist sie schon lange ausgetreten. Stattdessen war sie in der Friedensbewegung aktiv. Doch der spirituelle Hunger ist geblieben. Etliche Jahre lang hat es Baumann mit buddhistischer Meditation versucht. Doch zur Ruhe ist sie erst gekommen, als sie in Berlin beim Karmel "Regina Martyrum" angeklopft hat. Schon die erste Begegnung war positiv. Zweimal pro Jahr kehrt sie inzwischen dort für eine Auszeit ein.

Stille, Schweigen, Geborgenheit - diesen Dreiklang nennt die 80-Jährige, um zu beschreiben, was sie am Kloster fasziniert. Und: "Durch die Schwestern habe ich zurück zum Glauben gefunden." In die Kirche eintreten möchte sie dennoch nicht: "Die Institution mit ihrer Geschichte, ihren Dogmen, ihrer Verpflichtung zum Gehorsam ist mir immer noch fremd."

Das Kloster als "Gegen-Weg zur Welt, aber auch zur Kirche"

Gäste wie Hedwig Baumann haben sie im Berliner Karmel immer häufiger. "Wir Ordensfrauen werden als Menschen gesehen, die einen Gegen-Weg gehen", beschreibt Schwester Claudia Elisheva den besonderen Reiz des Klosters. Einen Gegen-Weg zur Welt, aber auch zur Kirche, der in seiner Radikalität selbst kirchenferne Menschen fasziniert. "Die Menschen suchen bei uns vor allem die Stille", berichtet die Karmelitin. Aber auch Gesprächsangebote würden gerne angenommen. "Wer zu uns kommt, ist auf der Suche - und erhofft sich Antworten auf seine Fragen."

Auch in der Benediktinerabtei Niederaltaich in Niederbayern hat man sich auf spirituell Suchende eingestellt. Neben der längst schon klassischen Auszeit "Kloster auf Zeit" - vor über 50 Jahren in Niederaltaich erfunden - gibt es eine Vielzahl weiterer Kurse und Angebote, die auch gerne von kirchenfernen Menschen genutzt werden.

Hier finden viele, die Kraft, die sie in ihrer Pfarrei nicht finden

Carlo Lupu bietet regelmäßig solche Kurse an. Da geht es mal ums Schweigen, mal ums Reden oder um Gesundheit und Spiritualität. "Die Menschen empfinden das Kloster als heilmachende Stätte", erzählt der Theologe - selbst dann, wenn sie den Bezug zur Kirche längst verloren haben. Natürlich weisen die Kursleiter darauf hin, dass es klösterliches Leben ohne die Kirche nicht gäbe. "Aber viele unserer Gäste lassen sich nicht darauf ein. Sie suchen die Ruhe und wollen Kraft tanken, vor allem dann, wenn es im Leben gerade nicht mehr bergauf geht. Und diese Kraft finden sie gerade nicht in ihrer Pfarrkirche."

Bild: ©Fotolia.com/tichr

Die Abtei von Cluny im französischen Burgund war Ausgangspunkt bedeutender Klosterreformen und eines der einflussreichsten religiösen Zentren des Mittelalters. Die Abtei wurde im Jahr 910 gegründet.

Mit Klosteraufenthalten kennt sich auch Richard Snehotta aus. Allerdings zieht es ihn nicht in eine der großen Abteien. In der Kapuzinerklause in Schruns in Südtirol findet er zur Ruhe. Nur ein Mönch lebt dort, Bruder Engelbert Bacher. Mit seinen Gästen bildet er eine Hausgemeinschaft. Ob sie an den Gebetszeiten teilnehmen, bleibt ihnen überlassen. Gern gesehen ist es natürlich, ebenso wie die Mithilfe bei den anfallenden Arbeiten.

Wenn Bruder Engelbert mehr hilft als jeder Paartherapeut

"Ich schätze das geregelte Klosterleben, die klaren Strukturen, die Einfachheit", erzählt Snehotta. Er ist zwar Katholik, tut sich aber seit einiger Zeit schon schwer mit seiner Kirche. Ein allzu konservativer Pfarrer hat diese Entfremdung bewirkt. Seitdem ist er spirituell auf der Suche. In Schruns aber ist er ganz bei sich. Dreimal schon war er zu Gast bei Bruder Engelbert - zuletzt erstmals mit seiner Frau. "Wir hatten sehr gute Gespräche. Wir sind als Paar gereift - das war wertvoller als eine teure Therapie", erzählt der 52-Jährige.

Die Gespräche sind ein wichtiger Teil der Aufenthalte in Schruns: "Meine Gäste suchen oft einen Gesprächspartner, der ihnen Raum schafft, um in Ruhe auf ihre Fragen eine Antwort zu finden", erklärt Bruder Engelbert. Willkommen heißt er grundsätzlich jeden, der sich an ihn wendet - "Frauen und Männer, ohne nach deren Religionszugehörigkeit, Beruf, Titel, Lebensstand oder sexueller Orientierung zu fragen".

Ähnlich hält es auch Schwester Claudia Elisheva in Berlin. Mit einer Einschränkung: "Uns ist wichtig, dass die Menschen aus eigenem Antrieb zu uns kommen." Immer wieder komme es vor, dass Menschen vom Partner oder anderen Familienangehörigen zu einer Auszeit gedrängt werden. Das erweise sich oft als problematisch. "Es muss mich schon selber ziehen, in die Stille zu gehen", betont die Karmelitin.

Von Andreas Laska (KNA)