Juden wollen sich nicht von AfD vereinnahmen lassen

Maas kritisiert religiöses Mobbing an Schulen

Veröffentlicht am 26.03.2018 um 12:06 Uhr – Lesedauer: 
Antisemitismus

Berlin ‐ Ein jüdisches Mädchen wird von Mitschülern bedroht, weil es "nicht an Allah glaubt". Bundesaußenminister Heiko Maas findet Angriffe dieser Art unerträglich. Er fordert Konsequenzen.

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Außenminister Heiko Maas (SPD) kritisiert Antisemitismus und religiöses Mobbing unter Schülern. "Wenn ein Kind antisemitisch bedroht wird, ist das beschämend und unerträglich. Jeder Form von Antisemitismus müssen wir uns entschieden entgegenstellen", sagte Maas der "Bild"-Zeitung (Montag). Weltweit müsse alles getan werden, "um jüdisches Leben zu schützen." Maas besucht bis Montag Israel und die palästinensischen Autonomiegebiete.

Hintergrund ist ein Vorfall an einer Berliner Schule, über den die "Berliner Zeitung" berichtet hatte. Demnach wurde dort ein jüdisches Mädchen von muslimischen Schülern angegriffen, "weil sie nicht an Allah glaubt". Zuvor habe ein Schüler auf die Angabe des Mädchens, dass sie Jüdin sei, das Wort "Jude" mehrfach in bedrohlichem Tonfall wiederholt. Zuvor sei das Mädchen sogar schon einmal mit dem Tode bedroht worden.

Berliner Staatssekretärin: Debatte über den Islam notwendig

"Wenn Kinder sich untereinander aus religiösen Gründen mobben, anstatt staunend und neugierig darauf zu schauen, was sie voneinander unterscheidet, ist Handeln dringend geboten", erklärte der Berliner Landesbischof Markus Dröge am Montag in Berlin. Der Respekt vor dem Glauben und den Überzeugungen anderer gehöre zu den tragenden Umgangsformen in Gesellschaft, die er von jeder Religionsgemeinschaft erwarte. So setze der christliche Religionsunterricht an den Schulen einen besonderen Akzent auf den interreligiösen Dialog. "Aber auch in den Religionsgemeinschaften selbst muss klar sein, dass keine religiöse Aussage oder Haltung dazu berechtigt, andere Menschen gering zu schätzen oder sie in ihrer Würde und Ehre zu verletzen", so Dröge.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), sagte der Zeitung, man müsse die Eltern stärker in die Pflicht nehmen. Der frühere Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte verpflichtende Elternabende. Er könne sich auch vorstellen, bei Schuleintritt oder am Schuljahresanfang eine Vereinbarung zwischen Lehrern und Eltern zu treffen, wonach "jede Art von Rassismus eine Absage erfährt und dass man bei Zuwiderhandlung seine Konsequenzen zieht".

Die Berliner Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement, Sawsan Chebli (SPD), erklärte: "Ich würde mir wünschen, dass es noch mehr Einsatz der muslimischen Communities im Kampf gegen Antisemitismus gibt." Zugleich nannte sie "statt Polarisierung und Stigmatisierung eine differenzierte und sachliche Debatte über den Islam" als dringend notwendig.

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Es handle sich "Gott sei Dank" noch nicht um ein flächendeckendes Problem an den deutschen Schulen, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger. Allerdings gebe es "eine wachsende Polarisierung und Verschlechterung der Zustände an Problemschulen in Brennpunkt-Bezirken". Beispiele fänden sich in großen Ballungsräumen wie Berlin oder dem Ruhrgebiet.

Auch die "WerteInitiative jüdisch-deutsche Positionen" kritisierte den jüngsten Vorfall. Die Hemmschwelle, antisemitische Feindbilder nach außen zu tragen, sinke immer weiter, sagte der Vorsitzende Elio Adler. Die Schulen müssten verpflichtet werden, derartige Vorgänge etwa beim Antisemitismus-Beauftragten des jeweiligen Bundeslandes zu melden, forderte Adler in Berlin. Seine Organisation versteht sich als Initiative jüdischer Bürger und arbeitet nach eigener Darstellung daran, in Deutschland ein überparteiliches, überinstitutionelles und interreligiöses Werteverständnis zu fördern.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat sich unterdessen trotzdem gegen eine Vereinnahmung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland durch die AfD verwahrt. "Das Gedankengut, das in Teilen der AfD vertreten wird, war - mein Eindruck - auch jenes Gedankengut, das zur schlimmsten Verfolgung der Juden in ihrer Geschichte geführt hat", sagte Schuster dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag). Einen zunehmenden Antisemitismus führte Schuster neben einer "deutlichen Enthemmung" in den Sozialen Medien zwar auch auf die gestiegene Zahl muslimischer Flüchtlinge zurück. Damit wolle er aber nicht die Entscheidung der Bundesregierung kritisieren, diese in Deutschland aufzunehmen.

Geflüchtete aus muslimischen Ländern, die mit Judenhass und Israel-Feindlichkeit aufgewachsen seien, stellten sicherlich ein zusätzliches Potenzial für Antisemitismus dar, so Schuster. "Das lässt sich leider nicht leugnen." Doch gerade die Juden wüssten, "was es bedeutet, verfolgt zu werden und fliehen zu müssen. Wir wissen auch, was es bedeutet, Schutz und Zuflucht zu finden". Die Juden in Deutschland könnten nicht erwarten, dass die Menschen, die auf der Flucht aus muslimischen Ländern sind, ihre Vorurteile gegen Juden an der deutschen Grenze ablegten, so Schuster weiter. (bod/KNA)