Staatsrechtler: Bayerns Kreuz-Pflicht kommt vor Gericht
Der Würzburger Staatsrechtler Horst Dreier hält eine Verfassungsklage gegen den bayerischen Kabinettsbeschluss zu Kreuzen in Amtsstuben für wahrscheinlich. "Es würde mich wundern, wenn die Sache nicht vor Gericht landet", sagte Dreier im Interview der Würzburger "Main-Post" (Donnerstag). Er selbst halte den Beschluss "rechts- und integrationspolitisch für ein verheerendes Signal und verfassungsrechtlich für mindestens sehr heikel".
Das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität im Grundgesetz schließe es aus, in allen Behörden Kreuze als Symbol einer bestimmten Religion aufzuhängen, auch wenn es die Mehrheitsreligion sei. "Das Neutralitätsgebot fordert vom Staat, sich gerade nicht mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung zu identifizieren." Die neue bayerische Regelung verletze dies in zentraler Weise.
Dreier gegen Kreuze in Gerichtssälen und Schulen
Die Argumentation von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), das Kreuz sei ein Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland, hält Dreier für "historisch falsch". Die christlichen Kirchen hätten sich mit zentralen verfassungsrechtlichen Ideen von Demokratie und Menschenrechten erst nach dem Zweiten Weltkrieg angefreundet, nicht 1.900 Jahre davor.
Linktipp: Das Kreuz gehört nicht der CSU
Bayerns Staatsregierung im Wahlkampfmodus: Kreuze sollen in die Behörden – nicht als religiöses Zeichen, sondern als Symbol der Leitkultur. Das ist ein Missbrauch des Heilszeichens, kommentiert Felix Neumann."Wenn ich Bezug nehmen will auf die freiheitlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Gehalte des Grundgesetzes, dann könnte ich dessen zentrale Sätze überall in die Eingangsbereiche staatlicher Behörden hängen", so der Staatsrechtler. Artikel 1 und 20 würden sich förmlich aufdrängen. "Das sind die Werte, auf denen unsere Verfassungsordnung beruht."
Dreier wandte sich zudem gegen Kreuze in Gerichtssälen und Schulen. Zwar gelte in Bayern nach der "hochgradig umstrittenen Kruzifix-Entscheidung des Bundesverfassungsgericht" eine Widerspruchslösung, nach der Kreuze auf Wunsch abgehängt werden müssten. "Bei einer stringenten Anwendung des Neutralitätsgebotes haben sie in amtlichen Räumen genauso wenig etwas zu suchen wie die Kopftücher bei Richterinnen und Lehrerinnen."
Mitte März erschien von Horst Dreier das Buch "Staat ohne Gott - Religion in der säkularen Moderne" im C.H. Beck-Verlag. Darin vertritt er die These, dass sich in der modernen Demokratie ein Staat mit keiner Religion identifizieren darf. Nur so könnten alle Bürger gemäß ihren durchaus unterschiedlichen religiösen oder sonstigen Überzeugungen in Freiheit leben. (KNA)