Deutsche Sprechstunde im Vatikan
Heute kommt es im Vatikan zu einem Spitzengespräch, das es so noch nicht gegeben hat: Zwei Kardinäle und vier weitere Ortsbischöfe sind aus Deutschland angereist, um mit Vertretern der römischen Kurie über die "Handreichung" der Deutschen Bischofskonferenz zum Kommunionempfang für evangelische Ehepartner zu sprechen. Schon allein die internationale Resonanz, die der Termin in katholischen Medien gefunden hat, zeigt: Hier wird nicht nur eine innerdeutsche Angelegenheit verhandelt. Es geht um eine Frage von weltkirchlicher Bedeutung.
Der Kommunionempfang evangelischer Partner ist global gesehen zwar kein Top-Thema. Aber die grundsätzliche Frage, die hinter dem deutschen Konflikt steht, treibt seit dem Amtsantritt von Franziskus viele um: Was dürfen Bischofskonferenzen selbst beschließen und welche Entscheidungen bleiben Rom vorbehalten? Der Papst hat wiederholt gesagt, dass nicht alles in Rom entschieden werden müsse und eine Dezentralisierung wünschenswert sei. Nur weiß bislang niemand so recht, wie er sich das konkret vorstellt. Das könnte sich nach diesem Gespräch ändern.
Die Akteure aus Deutschland
Zu der Unterredung in den "Palazzo del Sant'Uffizio", Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, reisen aus Deutschland die maßgeblichen Akteure an: Kardinal Reinhard Marx. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ist entschiedener Befürworter und treibende Kraft hinter der "pastoralen Handreichung über konfessionsverschiedene Ehen und eine gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie", die eine große Mehrheit der deutschen Bischöfe im Februar beschloss. Als Mitglied des Kardinalrates zur Kurienreform trifft Marx den Papst regelmäßig und hat einen direkten Draht zu ihm.
Als Wortführer der sieben Bischöfe, die in einem Brief an den Vatikan Bedenken gegen die Handreichung formuliert hatten, ist der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki nach Rom gekommen. Er hatte dazu aufgerufen, die Meinungsverschiedenheit nicht über zu bewerten. "Ich kann einfach nur sagen, das Ganze sollte man mal ein bisschen herunterhängen", so Woelki. Das Anliegen der sieben Bischöfe erklärte er so: "Wir waren mit einigen Bischöfen der Überzeugung, dass es gut wäre, die hier bei uns diskutierte und gefundene Lösung auch universalkirchlich mit Blick auf die Einheit der Kirche und mit Blick auf die Gemeinsamkeit mit den anderen Teilkirchen abzustimmen."
Die Bischöfe Karl-Heinz Wiesemann und Gerhard Feige nehmen ebenfalls an dem Gespräch teil, weil sie federführend an der Erarbeitung der Handreichung beteiligt waren, deren Text bislang nicht veröffentlicht ist. Wiesemann ist in der Deutschen Bischofskonferenz Vorsitzender der Glaubenskommission, die sich mit Fragen der Glaubenslehre beschäftigt. Dazu zählt auch das Verständnis der Sakramente. Bischof Feige ist Vorsitzender der Ökumene-Kommission. Beide Kommissionen haben seit längerem über einen Entwurf zum Kommunionempfang für evangelische Ehepartner beraten und die vorläufige Fassung erstellt, die der Frühjahrsvollversammlung vorgelegt wurde. Wiesemann hat sich bislang nicht öffentlich zu dem Streit geäußert. Feige hatte mit deutlichen Worten das Vorgehen der sieben Bischöfe kritisiert.
Eine Sonderrolle in der deutschen Delegation nimmt Münsters Bischof Felix Genn ein. Er hatte die Mehrheitsentscheidung der Bischofskonferenz mitgetragen, zugleich aber auch Verständnis für die Position der Unterzeichner des Briefes geäußert. Genn selbst sagte zwar, er wisse nicht, warum er für dieses Gespräch nominiert worden sei. Es gilt jedoch als ausgemacht, dass ihm die Rolle des Vermittlers zugedacht ist. Genn ist Mitglied der vatikanischen Bischofskongregation, die Kandidaten für das Bischofsamt aussucht und damit einer der einflussreichsten deutschen Bischöfe im Vatikan.
Als weiterer Vertreter der Minderheitsposition ist der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer angereist. Er gilt als theologischer Kopf der Initiative. Der frühere Dogmatik-Professor und akademische Schüler von Kardinal Gerhard Ludwig Müller ist als einziger deutscher Bischof Mitglied der Glaubenskongregation. Zudem ist er stellvertretender Vorsitzender der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz. Seine Teilnahme an dem Gespräch wurde erst am Freitag durch die offizielle Ankündigung der Unterredung durch das vatikanische Presseamt bekannt.
Die Gastgeber aus dem Vatikan
Als Gastgeber wird der Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer, die deutschen Bischöfe begrüßen. Der Spanier, seit Juli 2017 Nachfolger von Kardinal Müller, ist zwar Jesuit wie der Papst, gilt aber nicht als Franziskus-Mann im engeren Sinne. Der vormalige Dogmatik-Professor an der Päpstlichen Universität Gregoriana wurde 2008 von Benedikt XVI. in die Glaubenskongregation geholt, wo er zunächst als Sekretär wirkte. Ladaria wird oft als gemäßigt konservativ beschrieben. Er selbst sieht sich als Mann der Mitte. In einem seiner seltenen Interviews sagte Ladaria 2008, ihm gefielen die Extreme nicht, weder die progressiven noch die traditionalistischen. "Ich glaube, dass es einen mittleren Weg gibt, und das ist jener der Mehrheit der Theologie-Professoren hier in Rom und in der Kirche insgesamt, der mir der richtige Weg zu sein scheint".
Ob er einen solchen "mittleren Weg" auch im aktuellen Konflikt der deutschen Bischöfe anstrebt und wie dieser aussehen könnte, ist noch offen. Man muss aber wohl kein Prophet oder Insider sein, um vorherzusagen, dass Ladaria kein großes Interesse daran haben dürfte, dass es allzu offensichtliche Gewinner und Verlierer des Gesprächs gibt. Ladaria studierte einst an der Jesuiten-Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt. So spricht er nicht nur sehr gut Deutsch, sondern dürfte auch wissen, wie man mit deutschen Theologen und Bischöfen umgehen muss.
Als eigentlicher vatikanischer Fachmann für Ökumene nimmt Kardinal Kurt Koch an dem Gespräch teil. Der Schweizer hatte in der Vergangenheit durchblicken lassen, dass er nationale Regelungen für eine Teilnahme evangelischer Ehepartner im Einzelfall an der Kommunion zumindest grundsätzlich durchaus für möglich hält. In einem Interview zu Beginn des ökumenischen Reformationsjahres im Herbst 2016 unterschied er zwischen einer eucharistischen Gemeinschaft und einer eucharistischen Gastfreundschaft. Bei der eucharistischen Gemeinschaft gehe es um die Einheit der Kirche, also letztlich um eine Frage der Lehre ohne Ermessensspielraum. Die Gastfreundschaft betreffe jedoch gemischtkonfessionelle Paare im konkreten Einzelfall und sei daher eine "pastorale Frage", auf die es "keine allgemeine Antwort" gebe. Hier sei "die Verantwortung der Ortskirche gefragt", so Koch. Dabei blieb offen, wie eine solche Regelung konkret aussehen kann und ob eine Rücksprache mit Rom erforderlich ist.
Den kirchenrechtlichen Sachverstand repräsentiert auf vatikanischer Seite Markus Graulich. Der Salesianerpater aus dem Bistum Limburg ist Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte und damit die Nummer drei in der behördeninternen Hierarchie.
Zwei grundsätzliche Fragen müssen geklärt werden
Über welche Aspekte der Vatikan mit den deutschen Bischöfen im Einzelnen reden möchte, ist nicht bekannt. Klar ist aber, dass zwei grundsätzliche Fragen geklärt werden müssen. Erstens: Geht es beim Kommunionempfang für evangelische Ehepartner im Einzelfall nur um eine pastorale Frage, also eine Auslegung und Anwendung geltender Normen, wie es die Mehrheit der deutschen Bischöfe sieht? Oder handelt es sich um eine Glaubensfrage? Die sieben Bischöfe, die sich an den Vatikan gewandt haben, halten offenbar auch diese Lesart für möglich und wollen deshalb vom Vatikan Klarheit. Sollte der Vatikan der Auffassung sein, dass es sich um eine Glaubensfrage handelt, wäre das wohl eine Vorentscheidung zugunsten einer gesamtkirchlichen Regelung.
Zweitens dürfte es um Vorgehensweise und Argumentation der Bischöfe gehen. Hier ist zu klären, ob die deutschen Bischöfe ihren Beschluss vorher mit dem Vatikan hätten absprechen oder ihn hätten genehmigen lassen müssen. Kardinal Marx hatte gesagt, dass eine Genehmigung des Beschlusses durch den Vatikan nicht nötig sei, weil die Handreichung keinerlei Verbindlichkeit habe. Es stehe weiterhin im Ermessen jedes einzelnen Bischofs, ob er die Handreichung in seinem Bistum anwende oder nicht.
Schließlich spielt die Auslegung der einschlägigen Vorschrift des Kirchenrechts eine bedeutende Rolle. Denn die Argumentation der Mehrheit der deutschen Bischöfe fußt auf Kanon 844 des Codex Iuris Canonici, der den Sakramentenempfang für nichtkatholische Christen regelt. Laut dieser Vorschrift ist der Kommunionempfang für Nichtkatholiken nur dann erlaubt, wenn Todesgefahr oder eine "andere schwere Notlage" besteht und ein Geistlicher der eigenen Gemeinschaft faktisch unerreichbar ist. Die Definition einer "schweren Notlage" können Bischöfe oder Bischofskonferenzen für ihren Bereich in Rücksprache mit dem Vatikan selbst festlegen. Die deutschen Bischöfe stützten sich in ihrem Beschluss auf eine alternative Übersetzung des lateinischen Textes durch Johannes Paul II. Dieser sprach in seiner Enzyklika "Ecclesia de eucharistia" aus dem Jahr 2003 statt von einer Notlage von einem "schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis". Ein solches Bedürfnis könne auch in gemischtkonfessionellen Ehen bei nichtkatholischen Partnern aufkommen, argumentiert die Mehrheit der deutschen Bistumsleiter.
Im Kirchenrecht sucht man ebenso wie im weltlichen Recht gerne nach Präzedenzfällen. Hier zeigt ein Blick ins Ausland: Bislang haben 21 Bischofskonferenzen Bestimmungen für die Zulassung von Nichtkatholiken zum Kommunionempfang verabschiedet. Sie wurden vom Vatikan geprüft und genehmigt. Nach einer vergleichenden Analyse der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) handelt jedoch keiner dieser Fälle ausschließlich von konfessionsverschiedenen Ehen. Alle tendierten überdies zu einer "eher strengen Auslegung", so das Ergebnis der KNA. Die Frage ist, inwiefern diese Regelungen, die hauptsächlich außereuropäische Länder betreffen, für die deutsche Situation als Maßstab dienen können und ob Deutschland aufgrund der besonderen konfessionellen Gemengelage möglicherweise eine Sonderrolle zugestanden werden kann.
Wie das Ergebnis des Gesprächs am Ende aussehen wird, ist offen. Sicher ist nur: Der am schwersten zu kalkulierende Faktor heißt Franziskus. Was der Papst konkret damit meinte, dass die Kirche eine "heilsame Dezentralisierung" brauche, bleibt bislang die große Unbekannte. Vielleicht sind wir nach dem Treffen schlauer.