Katholikentag in Zeiten des Kommunionstreites
Noch vor einem Jahr war Martin Luther das Thema des Evangelischen Kirchentags in Berlin. Beim aktuellen Katholikentag in Münster geht es hingegen nicht mehr um einen Blick in die konfessionelle Vergangenheit, sondern ein aktuelles ökumenisches Thema: den Empfang der Kommunion für evangelische Ehepartner. Auf den Podien und in Interviews nehmen die Bischöfe immer wieder Stellung zu ihrem Streit, der einige von ihnen kürzlich bis in den Vatikan führte. Im Gespräch mit betroffenen Ehepaaren zeigt sich aber auch: In ihrem alltäglichen Glaubensleben beschäftigen sie andere Aspekte.
Bei einem der ökumenischen Paare auf dem Katholikentag ist keiner der beiden katholisch: Renate Göckler-Timoschenko ist evangelische Christin und ihr Mann Alexander Timoschenko orthodoxer Christ. In ihrer Heimat Rumänien konnten die beiden im Jahr 1984 gleich dreimal Hochzeit feiern, zunächst standesamtlich und kirchlich orthodox in Bukarest und eine Woche später in der Evangelischen Kirche Augsburger Bekenntnisses in Siebenbürgen, berichten sie. Seit 1992 leben die Timoschenkos in Deutschland und sind in mehreren ökumenischen Gesprächskreisen in Köln aktiv. In Münster haben sie am Freitag ein Gespräch über konfessionsverbindende Ehen mit Orthodoxen angeboten.
Die Abendmahls-Frage beschäftigt auch die beiden: Evangelische Christen dürfen in der orthodoxen Kirche nicht die Kommunion empfangen und Göckler-Timoschenko respektiert das. Sie bekommt am Ende eines orthodoxen Gottesdienstes jedoch das gesegnete Brot, auf griechisch "Antidoron" genannt. Umgekehrt geht ihr Mann auch nicht zum evangelischen Abendmahl. "Aber wir würden uns wünschen, dass es ein gemeinsames Abendmahl gibt und verfolgen auch die aktuelle Diskussion in der katholischen Kirche", sagt Göckler-Timoschenko.
Bischöfe betonen je ihre Position bei der Kommunionfrage
Auf der großen Bühne äußerten derweil auch Kardinal Reinhard Marx und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, ihre Hoffnung auf eine baldige Lösung in der Frage. Es dürfe nicht ängstlich gefragt werden, was nicht gehe, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, sondern: "Wir müssen schauen, was geht". Bedford-Strohm nannte Mehrheitsposition der Bischofskonferenz ein "Riesenzeichen" für das kirchliche Miteinander. Die Protestanten wollten dazu beitragen, noch bestehende "Hürden zu überwinden".
Marx erinnerte tags zuvor im Gespräch mit katholisch.de und der Katholischen Nachrichten-Agentur daran, dass Franziskus die Bischöfe aufgefordert habe, in Deutschland eine Regelung zu finden. Die große Mehrheit der Gläubigen verstehe die Haltung des Papstes, keine Machtworte zu sprechen, sondern gemeinsam um Lösungen zu ringen und die Gläubigen mitzunehmen. Er sei zuversichtlich, dass es bei einem der nächsten Treffen der Bischöfe hierzulande zu einer einvernehmlichen Lösung kommen könne, so Marx.
Der Vorsitzende der Ökumenekommission der Bischofskonferenz, der Magdeburger Bischof Gerhard Feige, äußerte sich auf einem Podium etwas zurückhaltender als in den vergangenen Wochen. Stattdessen betonte er die Realität vor Ort: Die Bischöfe wüssten, was in den Gemeinden praktiziert werde und dass es zahlreiche Menschen gebe, "die auf ein Wort der Ermutigung und Bestätigung warten". Man habe mit der im Frühjahr beschlossenen Handreichung nicht den "Stein der Weisen" gefunden. Aber die Mehrheit der Bischöfe meine, dass die Zeit für diesen Schritt reif sei und dass dieser aufgrund der Theologie und des Kirchenrechts möglich sei. "Andere sind da anderer Meinung."
Einige der sieben Bischöfe, die gegen die Handreichung waren und den Vatikan schriftlich um eine Klarstellung baten, verteidigten unterdessen ihre Position. Im bistumseigenen Domradio unterstrich der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, die vom Papst geforderte einvernehmliche Lösung des Streits werde eine große Herausforderung sein. "Ich bin gespannt, wie uns das gelingen wird." Woelki bezeichnete es als "toll, dass der Papst uns dieses Vertrauen schenkt".
Bambergs Erzbischof Ludwig Schick betonte, der Brief habe sich nicht gegen konfessionsverbindende Ehepaare gerichtet. Auch er wünsche sich eine einmütige Regelung, wie der Papst sie anstrebe, "und vielleicht hilft er uns noch ein bisschen dabei". Der Passauer Bischof Stefan Oster sagte, wenn Rom die Lösung dieser Frage nach Deutschland zurückgebe, "dann machen wir es". Dabei warnte er jedoch vor einer "Wischi-Waschi-Ökumene", bei der hintergründig die Wahrheitsfrage entfernt werde. Wer die Kommunion empfange, sage auch "Amen" zum katholischen Verständnis von Kirche mit Papst und Bischöfen.
Konfessionsverbindende Paare diskutieren Kommunion und Kindertaufe
Solche Aussagen ärgern Jörg Beyer: "Die konfessionsverbindenden Paare, denen die gemeinsame Kommunion wichtig ist, gehen doch nicht unreflektiert an das Thema heran." Für ihn kommt aber auch keine Konversion in Frage: "Ich bin überzeugter Lutheraner, auch wenn vieles, was ich in der evangelischen Kirche erlebt habe, für mich schmerzlich war." Beyer wollte eigentlich evangelischer Pfarrer werden, seine Frau Beate war katholische Religionslehrerin. Beide wären als Kirchenangestellte in den 1980er Jahren daran gebunden gewesen, ihre Kinder in der jeweils eigenen Konfession zu taufen. Jörg Beyer verzichtete und wurde nach dem evangelischen Theologiestudium schließlich Psychotherapeut. Das Ehepaar schrieb bereits 1986 das Buch "Konfessionsverbindende Ehe" und ist seit knapp 20 Jahren im "Netzwerk Ökumene" aktiv.
Beim Katholikentag leiten die Beyers mehrere Diskussionsrunden für die in Deutschland häufigen gemischtkonfessionellen Ehepaare bestehend aus Protestanten und Katholiken – laut Ministerpräsident Winfried Kretschmann leben 40 Prozent der christlichen Kinder in Baden-Württemberg in solchen Familien. Bei einem dieser Gespräche zeigt sich, dass gerade die Konfession der gemeinsamen Kinder für viele Paare ein wichtiges Thema ist. Eine Familie ist da, deren Töchter katholisch getauft wurden und zur Konfirmationszeit konvertierten, zwei weitere Paare berichten, dass ihre Kinder teils katholisch, teils evangelisch seien. Auch Taufen im Rahmen von ökumenischen Gottesdiensten sind beliebt.
Manche Paare verzichten wegen solcher Situationen gleich ganz auf die Kindstaufe. Die Katholikin Gabriele Gaukel erzählt, dass ihrem Mann wichtig gewesen sei, "dass jedes unserer Kinder sich an seine Taufe erinnern kann". Zwei entschieden sich dafür, katholisch zu werden, zwei evangelisch. "Jedes unserer Kinder, die zwischen 8 und 22 Jahre alt sind, fühlt sich seiner Konfession verbunden, aber alle sind ökumenisch sehr offen und zeigen kein Verständnis für extreme Positionen", fügt ihr Mann Christoph hinzu. Auch die Timoschenkos haben vor der Ehe lange diskutiert und sich schließlich darauf geeinigt, dass das erste Kind orthodox, das zweite evangelisch getauft wurde. Sie sagen, dass die Glaubensweitergabe an ihre Kinder und das Leben nach der christlichen Moral, ein so verbindendes Element sei, das ihre Ehe wohl auch deshalb so lange schon hält.
Paare verstehen sich als "ökumenische Friedensstifter"
In der Gesprächsrunde der evangelisch-katholischen Paare bestätigen schließlich alle, was Bischof Feige bereits anklingen ließ: Man geht gemeinsam zur Kommunion beziehungsweise zum Abendmahl. Provozieren wollen die Paare damit nicht, beteuern sie, meistens habe bereits ein klärendes Gespräch mit dem Pfarrer stattgefunden. Und auch beim Katholikentag geht es nicht um Provokation: Beate und Jörg Beyer bieten zum Abschluss am Samstagabend einen "Mutmachgottesdienst" für konfessionsverschiedene Paare an, die sie "ökumenische Friedensstifter" nennen. Es ist ein reiner Wortgottesdienst. "Eine gemeinsame Abendmahlsfeier lehnen wir ab, weil das alle konservativen Kräfte in den Widerstand schickt. Wir konfessionsverbindenden Paare sehen uns als Wegbereiter und als diejenigen, die Erfahrung sammeln", sagt Jörg Beyer. "Und natürlich hoffe ich darauf, dass eines Tages eine Eucharistie-, beziehungsweise Abendmahlsgemeinschaft zwischen den Christen möglich ist."
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