Ob das Kardinal Meisner gefallen hätte?
Der weltbekannte Maler und Bildhauer Gerhard Richter hat am Samstag in Münsters Dominikanerkirche seine Installation "Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel" vorgestellt. "Ich fühle große Erleichterung", sagte Richter vor Journalisten in dem profanierten Gotteshaus in der Altstadt von Münster. "Wenn es schiefgegangen wäre, dann wäre das peinlich gewesen." Das Kunstwerk - ein Foucaultsches Pendel, das an einem 29 Meter langen Seil schwingt, und vier sechs Meter hohe Glastafeln - ist ein Geschenk Richters an die Stadt und wird am Sonntag feierlich übergeben.
Ende November 2017 hatte Richter bei der Vorstellung des Projekts für eine Kontroverse gesorgt. Es freue ihn dass sein Pendel in einer Kirche realisiert werde. Das symbolisiere einen kleinen Sieg der Naturwissenschaft über die Kirche. Ihm gefalle, dass das Pendel dort schwinge, wo früher der Altar stand. An diesen Äußerungen übte der letzte Rektor der Kirche, Klaus Müller, deutliche Kritik. "Platter geht es wohl kaum", heißt es in einer Erklärung des Fundamentaltheologen zu Richters Bemerkung. Der Künstler habe wohl vergessen, wem das abendländische Denken seine Orientierung auf Forschung und Intellektualität verdanke. Das Ergebnis des Foucaultschen Pendelversuchs sei nach dessen Wiederholung im Pantheon zu Rom auch von der katholischen Kirche anerkannt worden.
Bei der Pressekonferenz ergänzte der Oberbürgermeister Münsters, Markus Lewe (CDU), dass durch das Kunstwerk die ehemalige Kirche zu einem Ort werde, wo ungeklärte Fragen der Menschheit diskutiert und Menschen zur Besinnung finden könnten. Müller wies in seiner Erklärung darauf hin, dass seit der Weihe im Jahr 1728 die Kirche genau das geleitet hatte: "Hätte Herr Lewe auch nur hier und da in den letzten Jahrzehnten die Dominikaner-Gottesdienste besucht, wäre er eines anderen belehrt gewesen."
"Meine Erwartungen sind bei weitem übertroffen", sagte Lewe anlässlich der Vorstellung des Kunstwerks. Durch Richters Werk werde der Betrachter mit den großen Fragen der Menschheit, des Lebens und der Welt konfrontiert. Der Raum in der Innenstadt werde durch das Pendel in der barocken Kirche, die ab morgen dauerhaft für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll, neu belebt. Kulturdezernentin Cornelia Wilkens erläuterte, das Projekt sei ein langfristige Anliegen Richters gewesen. Die ersten Kontakte zwischen dem Künstler und der Stadt habe es vor genau zwei Jahren gegeben. Isabel Pfeiffer-Poensgen, Nordrhein-Westfalens Ministerin für Kultur, teilte mit, in Münster sei "ein spektakuläres Kunstwerk an einem außergewöhnlichen Ort" entstanden.
Projektkurator Marcus Lütkemeyer führte aus, dass es sich bei dem Pendel um eine 48 Kilo schwere, nichtmagnetische Metallkugel mit 22 Zentimetern Durchmesser handle, die in der Vierungskuppel der Kirche an einem drei Millimeter starken Edelstahlseil befestigt sei. "Sie schwingt über einer kreisrunden Platte mit Schwingungsebene aus Grauwacke", so der Experte. Ein Magnetfeldantrieb im Zentrum der Bodenplatte sorge für die ununterbrochen gleichmäßige Bewegung des Pendels. Die Kosten für Herstellung und Installation des Kunstwerks sowie parallel erforderliche Restaurierungsarbeiten am Gebäude belaufen sich nach Angaben der Stadt auf rund 650.000 Euro.
Wie Kulturdezernentin Wilkens ankündigte, soll die Dominikanerkirche, die sich im Besitz der Stadt befindet, auf Wunsch Richters kein Museum, sondern ein Raum der Begegnung für alle Bürger werden. An einem Gesamtkonzept werde noch gearbeitet. Bis zu ihrer Profanierung Ende 2017 wurde die Kirche von der katholischen Universitätsgemeinde genutzt. Der 86 Jahre alte Gerhard Richter gilt als einer der einflussreichsten lebenden Künstler der Welt. Die Bilder des Wahl-Kölners erzielen auf dem Kunstmarkt Spitzenpreise. (fxn/KNA)