Erstmals Firmung im Verband statt in der Pfarrei
Dass es im Sommer ab und an Bergmessen gibt, ist bekannt. Eine noch außergewöhnlichere Erfahrung haben neulich sechs junge Leute aus dem Erzbistum Freiburg gemacht: Sie empfingen in einer Kapelle auf dem Gipfel des gut 1.200 Meter hohen Kandel im Schwarzwald die Firmung. Doch der Ort und die siebentätige Pilgerwanderung zuvor waren nicht die einzige Besonderheit. Zugleich handelte es sich um die erste Firmung der Erzdiözese, die nicht wie üblich in einer Pfarrei, sondern bei den Pfadfindern als kirchlichem Jugendverband stattfand.
Das Experiment sei eine "absolute Neuigkeit in der Diözese Freiburg", wirbt die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) auf ihrer Homepage. Christian Müller, Diözesanjugendpfarrer und zugleich Diözesankurat der DPSG, hat die außergewöhnliche Katechese zusammen mit Kolleginnen von der Pfadfinderinnenschaft Sankt Georg (PSG) organisiert. "Wir wollten damit junge Leute ansprechen, die sich in ihrer Gemeinde nicht zu Hause fühlen und sich dort gar nicht zur Firmung angemeldet hätten", erklärt er.
Dazu hat das Team einen eigenen Pilgerweg zusammengestellt. Montags ging es los am Bodensee, dann weiter über die Wutachschlucht und schließlich hinauf auf den Kandel. Während sich die Teilnehmer am See mit geweihtem Wasser zur Tauferinnerung gegenseitig ein Kreuz auf die Stirn zeichneten, sprachen sie in den Tälern der Schlucht über die Schattenseiten des eigenen Lebens. Die Höhe des Kandel selbst diente dann als Ort einer möglichen persönlichen Begegnung mit Gott. "Wir haben die jeweilige Landschaft und die firmkatechetischen Inhalte aufeinander abgestimmt", so Müller.
Das scheint gut anzukommen. Zwar sind nicht alle Plätze in Anspruch genommen worden. Wer aber dabei war, kam begeistert wieder zurück. "Ich kannte vorher noch niemanden, aber schon am ersten Abend haben wir uns sehr gut verstanden und am Ende hatte ich das Gefühl, alle schon ewig zu kennen", erzählt etwa der 16-jährige Dennis Moschina aus Blankenloch bei Karlsruhe. Er wäre auch in seiner Gemeinde zur Firmung gegangen, "aber als ich gehört habe, dass das auch bei den Pfadfindern geht, hat mich das direkt angesprochen". Das gemeinsame Hobby hat er als eine Art 'Eisbrecher' empfunden.
"Für mich waren die Pfadfinder der Zugang zur Kirche"
Ähnlich ging es Stefanie Meyer. Mit ihren 28 Jahren war sie die mit Abstand älteste Firmkandidatin. Mit dem Sakramentsempfang im Verband ist für die Lehrerin ein Traum in Erfüllung gegangen. "Ich habe mich damals in meiner Gemeinde nicht firmen lassen, weil es in diesem Kontext für mich nicht stimmig war. Für mich waren eben die Pfadfinder der Zugang zur katholischen Kirche", sagt sie. Der Freiburger Weihbischof Michael Gerber, der die Pilgergruppe auf dem Kandel firmte und zuvor schon die letzte Etappe mit ihnen ging, kennt Erfahrungen wie die von Stefanie Meyer.
Das Prinzip, Jugendliche nicht über die Gemeinden, sondern auch über ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten kirchlichen Gruppe für das Sakrament zu begeistern, könnte seiner Ansicht nach noch ausgeweitet werden: "Ich habe das bei Ministrantengruppen bereits erlebt", meint er, "die haben sich eigenständig für die Phase der Firmvorbereitung eine Firmbegleiterin gesucht und sind so im Kontext einer pfarrlichen Firmvorbereitung den Weg als Gruppe gegangen".
Neben ihrer gemeinsamen Identität als Pfadfinder trug für die jungen Leute aber auch das intensive Gemeinschaftserlebnis zu ihrer positiven Erfahrung bei. "Bei einer normalen Firmvorbereitung trifft man sich maximal einmal in der Woche für ein paar Stunden. Beim nächsten Mal weiß ich dann vielleicht schon gar nicht mehr, worum es ging. Die Zeit reicht da im Gegensatz zu einer gemeinsamen Wanderung nicht aus, um echte Freundschaften zu schließen", meint Dennis Moschina. Auch, dass die Firmung direkt im Anschluss an die Wanderwoche stattfand, hat ihn überzeugt. "Wenn da eine Pause gewesen wäre, hätte ich das wahrscheinlich nicht so intensiv erlebt".
Weihbischof: Pluralität in der Firmkatechese wichtig
Diözesanjugendpfarrer Christian Müller berichtet, dass sich auf dem Pilgerweg auch ganz spontan und ungeplant seelsorgliche Gespräche entwickelten. "Einmal hatten wir mittags einen Impuls zum Thema Schöpfung, dann sind wir weitergewandert und plötzlich kamen ganz grundlegende Fragen auf, über den Urknall, die Widersprüche Schöpfungsgeschichte – das waren wirklich substantielle Gespräche", erklärt er. "So etwas kann man nicht planen, das geschieht oder es geschieht nicht". Aus Sicht von Weihbischof Gerber sind es genau solche Situationen, die die Chance bergen, den Jugendlichen den Glauben näher zu bringen. "Wenn ich mit ihnen über ihre Lebensthemen spreche – den nahenden Schulabschluss etwa — und dann aufzeigen kann, dass die Beziehung zu Jesus ihnen dabei eine Hilfe und eine Perspektive geben kann, ist schon viel gewonnen".
Das Modell der Freiburger Pfadfinder fällt in eine Zeit, in der die katholische Kirche in Deutschland intensiv über die Zukunft des Firm-Sakraments nachdenkt. Unter anderem steht der richtige Zeitpunkt für den Sakramentenempfang zur Diskussion. Das Bistum Passau etwa setzte erst kürzlich das Firmalter von bisher 12 bis 14 Jahren auf 16 Jahre herauf. Die Jugendlichen seien dann besser in der Lage, wirklich frei darüber zu entscheiden, hieß es zur Begründung. Aber auch über die Reihenfolge der Sakramente wird diskutiert. Nach Ansicht einiger Religionspädagogen sollte die Erstkommunion nach der Firmung stehen, da sie der eigentliche Abschluss der kirchlichen Initiationsriten sei. Und schließlich wird auch die Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit einer wöchentlichen, oft eher als Pflicht denn als Freude empfundenen Firmkatechese infrage gestellt.
Freiburgs Weihbischof Gerber findet eine "Pluralität in der Firmkatechese" wichtig, so wie es sie in seinem Erzbistum auch schon gebe. Trotz aller Diversität brauche es aber allgemeine Maßstäbe, betont er: "Daran orientiert gibt es ganz unterschiedliche Firmwege, von den Gruppenstunden bis zum einwöchigen Taizéaufenthalt. Das wird den unterschiedlichen Voraussetzungen der jungen Menschen gerecht." Weil sich die Lebensumstände der Jugendlichen heute so schnell änderten, müsse die Kirche stets aufmerksam bleiben und ihre Angebote anpassen. Auch Christian Müller findet es wichtig, eine maßgeschneiderte Katechese zu machen, die den Jugendlichen auch entspricht – und wendet sich mit einem Appell an die Zuständigen in Gemeinden und Verbänden: "Wir brauchen mehr Mut, neue Angebote zu schaffen", fordert er. Für die Pfadfinderwoche ist jedenfalls schon eine Fortsetzung geplant.