Uwe Bork über übermütige Motorradfahrer

Kann denn Rasen Sünde sein?

Veröffentlicht am 22.06.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Uwe Bork über übermütige Motorradfahrer

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Eben ist mit Blaulicht der Notarzt vorbeigekommen. Jetzt ist zunächst der Motor eines Rettungshubschraubers zu hören, und nach dreißig weiteren Sekunden ist er auch bereits zu sehen. Er geht auf einer Wiese nieder, die glücklicherweise einigermaßen waagerecht die Fläche zwischen zwei kleinen Wäldchen talabwärts ausfüllt. Wahrscheinlich kennt der Pilot diesen Landeplatz schon, denn wie jedes Wochenende zwischen Frühling und Herbst ist wegen der Motorradfahrer wieder Hochsaison bei den Rettungskräften rund um den Schauinsland, den badischen Hausberg in der Nähe von Freiburg.

Und nicht nur hier. Wohl jede Region Deutschlands hat ihre in der einschlägigen Biker-Szene bekannten Rennstrecken. Meist sind es schmale Landstraßen zwischen ein paar idyllischen Hügeln oder entlang der Buchten eines Stausees. Da kommen sie den Autofahrern in den Kurven dann entgegengedonnert, auf schweren Maschinen und in einer Schräglage, die eigentlich jeden Reifen überfordern müsste. Oder sie überholen mit aufbrüllenden Motoren auf so kurze Distanzen, dass ihnen das Weiße in den schreckhaft aufgerissenen Augen ihres bremsenden Gegenübers nicht verborgen bleiben kann. Jeder Selbsterhaltungstrieb scheint ausgeschaltet, der Thrill regiert, der Adrenalinpegel steigt bis – ja, bis wieder der Notarzt sein Blaulicht einschalten muss und der Rettungshubschrauber in den Tiefflug übergeht.

Ich komme mir wie ein staubtrockener und verständnisloser Spielverderber vor, wenn ich mir vor dem nächsten - und vermutlich wieder unfallträchtigen - Wochenende die Frage stelle, ob diese für mich absolut sinnfreie Raserei nicht vielleicht Sünde sein könnte. Nein, nicht nur eine auf jeder Geraden und in jeder Kurve wieder erneuerte Sünde gegen die Straßenverkehrsordnung, auch wegen der unnötigen Lärm- und Abgasemissionen nicht nur eine Sünde gegen die Umwelt. Nein, ich denke, diese Todesverachtung auf dem Asphalt könnte auch eine ganz klassische Sünde gegen das Lebenserhaltungsgebot jeder Religion sein.

Der Autor

Uwe Bork war Leiter der Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks (SWR) und arbeitet jetzt als freier Journalist und Autor in Esslingen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.