Zwischen Hubraum und Altarraum
Es sind zwei Berufe, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: Der Fahrer ist auf der Straße unterwegs, der liturgische Assistent in der Kirche. Bei dem einen geht es um Hubraum, bei dem anderen um den Altarraum. Während der Fahrer für einen vollen Tank und eine pünktliche Ankunft sorgen muss, liegt das Augenmerk des liturgischen Assistenten auf dem reibungslosen Ablauf des Gottesdienstes und der Ordnung in der Sakristei.
Doch trotz dieser Gegensätze: Die Kombination aus Fahrer und liturgischem Assistenten findet sich in nahezu allen deutschen Bistümern. Fast jeder Bischof hat in seinem engsten Umfeld einen Mitarbeiter, der ihm sowohl als Chauffeur, als auch als sogenannter Zeremoniar dient. Und tatsächlich ergibt die Kombination beider Aufgaben bei genauerer Betrachtung durchaus Sinn. Schließlich braucht ein Bischof seinen Fahrer und seinen liturgischen Assistenten nie gleichzeitig. Denn entweder sitzt er im Auto oder er feiert einen Gottesdienst. Insofern können beide Tätigkeiten gut von einer Person erledigt werden.
Eine Tätigkeit im Nahbereich des Bischofs
Dass entsprechende Stellen öffentlich ausgeschrieben werden, kommt allerdings eher selten vor. Schließlich handelt es sich bei der Tätigkeit um eine vertrauensvolle Aufgabe im Nahbereich eines Bischofs. Wohl mit kaum einem anderen Mitarbeiter verbringt ein Oberhirte jeden Tag so viel Zeit; und das – zumindest im Auto – auf engstem Raum. Die Chemie muss also stimmen. Deshalb werden für Stellen dieser Art meist interne Lösungen gesucht. Oftmals übernehmen zum Beispiel langjährige Mitarbeiter aus den Ordinariaten die Aufgabe als Fahrer und Assistent.
Das Bistum Dresden-Meißen hat nun jedoch einen anderen Weg gewählt. Vor einigen Tagen veröffentlichte die Diözese auf ihrer Internetseite die Ausschreibung für einen "Fahrer und Assistent (m/w)" für Bischof Heinrich Timmerevers – eine externe Besetzung ist also durchaus möglich. Unter "Ihre Aufgaben" listet die Anzeige zunächst die üblichen Tätigkeiten eines Fahrers auf. Neben den "Dienstfahrten des Bischofs" werden die "Organisation der Wartung, Reinigung und Pflege des Dienstfahrzeuges" sowie die "ordnungsgemäße Fahrtennachweisführung und Dokumentation der geleisteten Stunden" genannt.
Direkt danach nennt die Ausschreibung dann die Aufgaben als Assistent. Unter anderem ist dort von der "Unterstützung des Bischofs bei der Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen", der "organisatorischen Vorbereitung von Gottesdiensten des Bischofs und liturgischen Assistenz" und der "Betreuung der Hauskapelle und Sakristei im 'Haus der Kathedrale'" die Rede.
Eine familienunfreundliche Vollzeitbeschäftigung
Aus dem Aufgabenprofil wird ersichtlich: In Teilzeit oder gar nur nebenbei ist dieser Beruf nicht zu machen. Die Aufgabe als Fahrer und Assistent ist vielmehr eine Vollzeitbeschäftigung – und nicht sonderlich familienfreundlich.
Peter Schmitt, langjähriger Fahrer des ehemaligen Aachener Bischofs Heinrich Mussinghoff, beschrieb diese Herausforderung vor einigen Jahren in der Bistumszeitung "Tag des Herrn" so: "Kaum ein Wochenende, und erst recht nicht an Feiertagen, waren wir bei der eigenen Familie. Kindererziehung war überwiegend Frauensache – wir waren ja mit dem Bischof unterwegs." Und Martin Colberg, früher Chauffeur der Hamburger Erzbischöfe, erzählte zum Ende seiner Tätigkeit, dass er die Stelle erst bekommen habe, nachdem er beim Einstellungsgespräch bei Erzbischof Ludwig Averbeck auf dessen drei Fragen "Verliebt? Verlobt? Verheiratet?" dreimal mit "Nein" geantwortet habe. Nach 20 Jahren und unzähligen Abend- und Wochenendeinsätzen wusste Colberg, warum der Erzbischof ihn das gefragt hatte.
Linktipp: Warten auf Numero Vier
Seit mehr als 37 Jahren chauffiert Andreas Bittner die Bischöfe von Dresden-Meißen. Jetzt wartet er gespannt auf seinen nächsten bischöflichen Fahrgast. Wer folgt in Dresden auf den nach Berlin gewechselten Oberhirten Heiner Koch nach? (Artikel von februar 2016)Doch nicht nur die Auswirkungen auf das Privatleben sind eine Herausforderung, auch die weiteren Anforderungen für die Stellen sind hoch. Das Bistum Dresden-Meißen verlangt in seiner Ausschreibung unter anderem eine "gültige Fahrerlaubnis der Klasse B seit mindestens 5 Jahren", einen "versierten Umgang mit verschiedenen Fahrzeugtypen" und eine "sichere und verantwortungsvolle Fahrweise"; ein aktueller Nachweis über den Punktestand in Flensburg muss laut der Anzeige spätestens beim Vorstellungsgespräch vorgelegt werden.
Weiter werden von den Bewerbern ein "gepflegtes Erscheinungsbild, sehr gute Umgangsformen und sicheres Auftreten", "zeitliche Flexibilität" und eine "ausgeprägte Dienstleistungsorientierung" verlangt. Wünschenswert seien zudem Erfahrungen im gottesdienstlichen Bereich – zum Beispiel als Oberministrant, Lektor oder Kommunionhelfer – sowie die Bereitschaft, sich zum Küster ausbilden zu lassen.
Fast 40 Jahre als Bischofsfahrer unterwegs
Dass die Stelle als Fahrer und Assistent trotzdem ein "Job fürs Leben" sein kann, zeigt sich beispielhaft an Andreas Bittner. Der 63-Jährige war fast 40 Jahre lang der Chauffeur der Dresdner Bischöfe und erlebte in dieser Zeit vier Oberhirten. Von 1978 bis 2016 fuhr Bittner die Bischöfe Gerhard Schaffran, Joachim Reinelt, Heiner Koch und – noch ein paar Monate – Heinrich Timmerevers. Zuletzt war er der dienstälteste Bischofsfahrer in Deutschland.
Als Bittner seine Stelle antrat, gab es noch keine offizielle Ausschreibung. "Das ging in der DDR über Mund-zu-Mund-Propaganda", erzählte er vor zwei Jahren. Und er hatte für die Stelle klare Pluspunkte vorzuweisen: "Zum einen war schon mein Vater Fahrer von Gerhard Schaffran, als dieser noch Bischof in Görlitz war. Zum anderen kannte Bischof Schaffran mich auch als Ministrant aus der Bischofskirche Sankt Jakobus."
So erhielt der gelernte KFZ-Schlosser im Frühjahr 1978 eine Anfrage aus Dresden und die Einladung zum Gespräch bei Bischof Schaffran. "Natürlich war meine Frau dabei. Sie musste den Dienst ja mittragen, der damals auch schon von Montag bis Sonntag ging", erinnerte sich Bittner 2016. Verbunden mit der Stelle als Bischofsfahrer war aber immerhin auch schon zu DDR-Zeiten ein besonderes Privileg. Denn in einen Trabbi oder Wartburg mussten die Bischöfe – und damit auch ihr Fahrer – in der Regel nicht einsteigen. "Mein erster Bischofswagen? Ein Mercedes!", so Bittner. Schon zu DDR-Zeiten war es durchaus üblich, dass die katholischen Bischöfe einen der begehrten Wagen mit dem Stern fuhren: "Die bekamen die Ostbischöfe von den westdeutschen Bistümern zur Verfügung gestellt."
Weite Fahrten in den Westen
Der Komfort im Mercedes war hilfreich, denn Bittners Kilometerzahl stieg im Laufe der Jahre deutlich: Waren es zu DDR-Zeiten zunächst rund 30.000 Kilometer, die er seine Bischöfe jährlich durch die sozialistischen Lande lenkte, stieg die zurückgelegte Strecke nach der Wiedervereinigung auf über 60.000 Kilometer pro Jahr. Grund waren die vielen Termine in Westdeutschland, die plötzlich hinzukamen – zum Beispiel bei der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn oder bei den zwei jährlichen Vollversammlungen der Bischöfe. Nach eigenen Berechnungen hat Bittner in seinen fast 40 Jahren als Bischofsfahrer so rund 1,5 Millionen Kilometer hinter dem Lenkrad abgespult.
Über die vielen gemeinsamen Stunden mit "ihren" Bischöfen im Auto könnten wohl alle Fahrer spannende Anekdoten erzählen. Doch Verschwiegenheit und Vertraulichkeit stehen in der kleinen Branche über allem; auch die Dresdner Ausschreibung verlangt "Loyalität und Diskretion". Übrigens: Interessenten für die Stelle können sich noch bis zum 3. Juli per E-Mail oder auf dem Postweg bewerben.