Verhandlungen zur Rettung der katholischen Schulen gescheitert

Sechs Monate Auf und Ab im Erzbistum Hamburg

Veröffentlicht am 06.07.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Bildung

Hamburg ‐ Der Hamburger Erzbischof Heße hat die Verhandlungen mit der Initiative "Hamburger Schulgenossenschaft" zur Rettung der katholischen Schulen in Hamburg gestoppt. Ist das Schicksal der Schulen damit endgültig besiegelt?

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Es hätte eine bundesweit einmalige Kooperation werden können, doch die Verhandlungen sind gescheitert. Das Erzbistum Hamburg wird nicht mit der Initiative "Hamburger Schulgenossenschaft" kooperieren, um seine von der Schließung bedrohten katholischen Schulen in der Hansestadt zu retten. Erzbischof Stefan Heße kündigte am Donnerstag an, die Verhandlungen mit der privaten Initiative nach rund zwei Monaten abzubrechen. Leider sei es trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, mit der Schulgenossenschaft eine tragfähige Lösung für die betroffenen Schulen zu finden, begründete Heße seine Entscheidung in einem Brief an die Eltern der Schüler an allen katholischen Schulen.

Damit heißt es nach rund sechs Monaten und unzähligen Aufs und Abs: Alles zurück auf Anfang. Wie es mit den katholischen Schulen in Hamburg weitergeht, ist nach Heßes Entscheidung – so erwartbar sie nach den Entwicklungen der vergangenen Tage auch war – völlig unklar.

Diskussion um Schulen begann am 19. Januar

Begonnen hatte die Diskussion um die Schulen am 19. Januar. Damals kündigte Generalvikar Ansgar Thim an, wegen der prekären Haushaltslage des Erzbistums bis zu 8 der 21 katholischen Schulen in der Hansestadt zu schließen. "Dieser tiefgreifende, schmerzhafte Einschnitt fällt uns sehr schwer", so Thim bei einer Pressekonferenz. Er sei jedoch zwingend notwendig, um dem Erzbistum und damit auch dem katholischen Schulsystem dauerhaft eine Zukunft zu ermöglichen.

Themenseite: Diskussion um Hamburger Schulen

Das Erzbistum Hamburg will bis zu 8 seiner 21 katholischen Schulen schließen. Der Grund: die prekäre Wirtschaftslage des Erzbistums. Seitdem finden Gespräche zur Rettung der Schulen statt.

Die Nachricht überrumpelte Lehrer, Eltern und Schüler – und mobilisierte sie. Schließlich unterhält das Erzbistum bislang 18 Grund- und Stadtteilschulen sowie 3 Gymnasien mit insgesamt rund 9.000 Schülern und ist damit größter privater Schulträger der Hansestadt. Schnell regte sich Protest gegen die Schließungspläne: Die Initiative "Rettet 21" organisierte Andachten vor dem Mariendom, Eltern und Schüler organisierten zwei große Kundgebungen mit mehreren Tausend Teilnehmern in der Hamburger Innenstadt, die Schulleiter der katholischen Schulen schickten einen Protestbrief an das Erzbistum und im Internet unterzeichneten fast 20.000 Menschen ein Hilfegesuch an Papst Franziskus.

Nachhaltiger Schwung kam in die Auseinandersetzung, als prominente Hamburger Katholiken um den SPD-Schatzmeister Christian Bernzen und den ehemaligen CDU-Staatsrat Nikolas Hill Anfang Februar die Gründung einer "Hamburger Schulgenossenschaft" ankündigten, um so mitzuhelfen, zumindest einige der gefährdeten Schulen zu retten.

Prominente Unterstützer für Schulgenossenschaft

Die Pläne der Initiative sahen vor, über den Verkauf von Genossenschaftsanteilen zu je 1.000 Euro zunächst einen Grundstock von drei Millionen Euro aufzubauen. "Wir wollen Eigenverantwortung organisieren und nicht Protest", sagte Bernzen bei der Vorstellung der Pläne. Schnell fanden sich prominente Unterstützer, darunter der frühere Hamburger Bürgermeister Ole von Beust sowie der Geschäftsführer des "Zeit"-Verlags, Rainer Esser. Die Zahl der potenziellen Mitglieder wuchs bis zuletzt auf knapp 2.000 an.

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße nachdenklich
Bild: ©picture alliance/Sven Simon

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße.

Nach anfänglichem Zögern entschied das Erzbistum Mitte April, mit der Genossenschaft Möglichkeiten einer Kooperation auszuloten. "Ich möchte eine langfristige und tragfähige Übernahme gemeinsamer Verantwortung für das katholische Schulwesen in Hamburg erreichen", so Erzbischof Heße damals. Dazu sollten mit der Genossenschaft Analysedaten für den Schulbereich ausgetauscht und auf Arbeitsebene rechtliche und strukturelle Fragen angegangen werden.

Ein guter Ausgang der Verhandlungen schien greifbar

Anfang Mai trafen sich beide Seiten zu einem Workshop. Danach wurde in einer Stellungnahme des Erzbistums ein "Modell gemeinsamer Verantwortung" angekündigt. Man habe sich darauf verständigt, in einem Pilotprojekt einige ausgewählte Schulen gemeinsam zu betreiben. "Welche und wie viele Schulen das sein sollen, haben wir noch nicht festgelegt", sagte Bistumssprecher Manfred Nielen nach dem Workshop. Die Kooperation solle einige Jahre lang ausprobiert, evaluiert und gegebenenfalls erweitert werden.

Ein guter Ausgang der Verhandlungen über die Zukunft der Schulen schien nach diesem Treffen greifbar. Schnell war die Rede von einem möglichen bundesweiten Vorzeigeprojekt, das vormachen könne, wie ein überschuldetes Bistum einen Partner aus der Zivilgesellschaft ins Boot hole, um jungen Menschen Bildung und Glauben näherbringen zu können.

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Doch nach wenigen Wochen kam die überraschende Wende: Nachdem die Initiative am 24. Juni in einem Konzept ihre Vorstellungen für den gemeinsamen Schulbetrieb darlegt hatte, kam das Generalvikariat des Erzbistums in einer Stellungnahme zu einem vernichtenden Urteil: Das Konzept der Genossenschaft zeige weder Lösungen für die operative Tragfähigkeit der Pilotschulen noch für die notwendigen Investitionen an den Standorten, hieß es darin. Der Initiative wurde vorgeworfen, "erhebliche Camouflage" zu betreiben und das Erzbistum in eine "Schein-Kooperation" zu locken. Sechs Gremien der Erzdiözese, darunter der Diözesanpastoralrat, der Priesterrat und der Kirchensteuerrat, stimmten daraufhin gegen eine Kooperation mit der Genossenschaft, und auch zwei von vier schulischen Gremien votierten ablehnend.

Deshalb war es am Ende keine Überraschung, dass Erzbischof Heße die Verhandlungen mit der privaten Initiative an diesem Donnerstag abbrach. In seinem Brief schloss er sich dem Votum der Gremien an. Das von der Genossenschaft vorgelegte Konzept verdeutliche aus Sicht des Erzbistums "weder die in Aussicht gestellte operative Tragfähigkeit einzelner 'Pilotschulen', noch zeigt es konkret auf, wie die dringend notwendigen Investitionen in Millionenhöhe an den betroffenen Standorten wirklich geschultert werden können".

Wie geht es weiter mit den katholischen Schulen?

Er verstehe den Frust und die Resignation, die die Schließungspläne bei den Betroffenen hervorriefen, so Heße weiter. Er bitte jedoch um Verständnis, dass er als Erzbischof stets die Einheit des gesamten Erzbistums mit all seinen Einrichtungen, Institutionen und Kirchengemeinden im Blick behalten müsse.

Angesichts der Entscheidung stellt sich die Frage, ob es noch eine Rettung für die von der Schließung bedrohten Schulen geben kann. In seinem Brief machte Heße aber zumindest für drei Schulen Hoffnung: "Um es ganz klar zu sagen: Ich will ein nachhaltiges und qualitativ hochwertiges katholisches Schulsystem in unserer Hansestadt erhalten, um auch zukünftigen Generationen Bildung auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes zu ermöglichen." Das Ende der Verhandlungen mit der "Hamburger Schulgenossenschaft" bedeute nicht das Ende "unserer Anstrengungen, mit externen Partnern hier zu einer zukunftsfähigen Lösung zu kommen". Welche Partner das sein könnten, ist bislang aber nicht bekannt. (mit Material von KNA)

Von Steffen Zimmermann