Die Bibel als Lehrbuch für Personalführung
König David ist auf dem Höhepunkt seiner Macht, als er alles verspielt. Der erfolgreiche Politiker und Kriegsherr verliebt sich in die schöne, verheiratete Batseba. Deren Ehemann Urija schickt der König kurzerhand an die Kriegsfront, wo Urija — wie von David kalkuliert — fällt. Nun ist der Weg frei: David heiratet Basteba. Doch sein egoistisches Verhalten erweckt den Zorn Gottes. Zur Strafe tötet Gott Batsebas und Davids gemeinsamen Sohn.
"Batseba-Syndrom" als abschreckendes Beispiel
"Das sogenannte 'Batseba-Syndrom' kann heute noch als abschreckendes Beispiel dafür dienen, dass Führungskräfte nicht die Bodenhaftung verlieren dürfen, dass sie nicht in den Glauben verfallen dürfen, allmächtig zu sein", fasst Peter Finzer, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Fulda die Erzählung aus dem Alten Testament zusammen. Nach seiner Auffassung können Führungskräfte in Unternehmen auch aus anderen Stellen der Bibel noch einiges lernen. Deswegen büffeln Finzers Studenten neuerdings nicht nur Lehrbücher für BWL, sondern auch das Buch der Bücher. Im jetzt zu Ende gehenden Sommersemester konnten sie erstmals das Seminar "Spiritualität und Personalführung" besuchen. Die Wahlpflichtveranstaltung ist eine Kooperation zwischen der Hochschule Fulda und der theologischen Hochschule des Bistums. Rund 20 Studierende aus der Fachrichtung BWL nahmen daran teil sowie drei Studierende aus der deutlich kleineren Gruppe der Theologen.
Das Seminar sei eine "Horizonterweiterung für beide Seiten", findet auch Theologieprofessor Cornelius Roth, der das Projekt vonseiten der Theologischen Fakultät leitet. Ihm fällt es nicht schwer, noch weitere Beispiele aus Theologie und Kirche zu finden, die sich auf die heutige Wirtschaftswelt übertragen lassen. Eines davon ist der Brief, den der heilige Bernhard von Clairvaux im 12. Jahrhundert an Papst Eugen III. schrieb. Darin mahnt der Mönch das Kirchenoberhaupt — einen ehemaligen Schüler — sich nicht von seinen vielfältigen Pflichten auffressen zu lassen. Nicht nur anderen, sondern auch sich selbst müsse der Papst Zeit gönnen. Sonst stehe sein Pontifikat unter keinem guten Stern. "Ich fürchte, dass du, eingekeilt in deine zahlreichen Beschäftigungen keinen Ausweg mehr siehst und deshalb deine Stirn verhärtest", schreibt Bernhard und fordert Eugen III. auf: "Gönne dich dir selbst".
Ein berühmtes Beispiel für eine in der Kirche über Jahrhunderte erprobte Personalführungsmethode findet sich in der Ordensregel des heiligen Benedikt. Im sechsten Jahrhundert hat Benedikt ein umfassendes Regelwerk für die von ihm gegründeten Klöster niedergeschrieben, das häufig etwas einfach mit dem Stichwort "Ora et labora", "bete und arbeite" zusammengefasst wird. Darin geht es neben der Spiritualität der Mönche auch um das Zusammenleben der Gemeinschaft unter der Leitung des Abtes (vor allem Kapitel 63 bis 65). "Die Benediktsregel kann Führungskräften Orientierung geben, auch wenn sie und ihr Unternehmen gar nichts mit der Kirche zu tun haben", meint Roth. Und natürlich könne auch Jesus selbst für Führungskräfte ein Vorbild sein. Schließlich habe der Sohn Gottes durch sein Leben, das Miteinander mit seinen Jüngern und mit seinem Tod eine dienende, demütige Führung verkörpert.
Wie die Wirtschaftsstudenten von den theologischen Konzepten profitieren, so lernen auch die Nachwuchs-Theologen, dass in den Wirtschaftswissenschaften bereits Konzepte einer ethischen Führung existieren. "Servant Leadership" heißt etwa ein Ansatz aus den USA, der nicht nur Durchsetzungsfähigkeit, sondern auch Demut und die Fähigkeit, Ratschläge von außen anzunehmen, als wichtige Tugenden einer Führungspersönlichkeit sieht.
Laut Wirtschaftsprofessor Finzer ist das Ziel des Seminars, dass die Studierenden beider Fächer "für sich die 'dunkle Seite von Führung', die von Habgier und Egoismus geprägt ist, und die 'helle Seite von Führung, die die Mitarbeiter mitnimmt und wertschätzt, kennen- und unterscheiden lernen", erklärt er. Kurzfristig könne eine dunkle Führung zwar effizienter sein. Langfristig rechne es sich für Unternehmen aber mehr, zufriedene und damit motivierte Mitarbeiter zu haben.
Linktipp: Die Benediktsregel: Mehr als "Ora et labora"
Benediktiner? Kennt man: "Ora et labora". Doch die Benediktsregel ist mehr. Sie beschreibt das Leben der Mönche bis ins Detail – und kann auch für Menschen außerhalb des Klosters hilfreich sein.Für den 23-jährigen BWL-Studenten Lukas Henke ist das Seminar wie ein "Blick über den Tellerrand": "Mit philosophischen Ansätzen beschäftigen wir uns als BWLer in unserem Studium sonst nicht so oft", meint er. Berührungsängste mit den theologischen Fragestellungen habe er nicht – schließlich sei er als Katholik mit dem Glauben großgeworden. Das war aber nicht bei allen seinen Kommilitonen so: "Einige andere Studenten, die die Beschreibung zu dem Seminar vorher nicht durchgelesen haben, haben zu Beginn schon erst einmal etwas überrascht geschaut". Vorlesungen in der theologischen Fakultät in unmittelbarer Nachbarschaft des Doms zu haben, sei für einige doch ungewohnt gewesen, so Henke: "Manche wussten noch nicht einmal, dass es die theologische Fakultät überhaupt gibt".
Vorurteile weichen Neugier
Vorurteile gegenüber der Kirche sind nach seiner Wahrnehmung dann aber zumindest bei manchen nach und nach einer interessierten Neugier gewichen: "Sie haben dann gefragt, warum sieht die Kirche das und das so und warum hat sie zu diesem Thema diese Position". Als schade empfindet es Lukas Henke, dass die größere Gruppe der BWLer und die kleinere der Theologen nicht den ganzen Stoff gemeinsam lernten, sondern ein Teil der Einheiten des Seminars wegen der unterschiedlichen Stundenpläne der beiden Hochschulen doch wieder getrennt stattfanden. "Da würde ich mir beim nächsten Mal anders wünschen, damit man sich gegenseitig noch besser kennenlernen kann", meint Henke. Eine Chance, diese Anregung aufzunehmen, gibt es jedenfalls. Denn Peter Finzer und Cornelius Roth wollen das Seminar gerne im nächsten Sommersemester noch einmal anbieten.