Gegen den "Gruppendruck zur Aufrüstung"
Als 2014 an den Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert wurde, wurde deutlich, wie sehr in den Jahren vor dem Krieg eine Aufrüstungswelle die damaligen Länder durchzogen hatte, die sie schließlich in einen Krieg führte, der sich später als Weltkrieg herausstellte. 20 Millionen Tote, die Hälfte davon Zivilisten, wurden am Ende des Krieges gezählt.
Die Begeisterung, auf das Militär zu setzen – verbrämt als notwendig und vernünftig beschrieben –, durchzieht auch derzeit nahezu alle Kommentare, Berichte und Interviews rund um den am Donnerstag zu Ende gegangenen Nato-Gipfel in Brüssel. So soll die Aufrüstung Deutschlands weiter vorbereitet werden.
Russlands Rüstungsausgaben sind zuletzt gesunken
In der Nato herrscht Gruppendruck zur Aufrüstung. Mehr Waffen, mehr Soldaten, vor allem aber mehr nationale Ausgaben fordern US-Präsident Donald Trump, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und auch einige östliche Nato-Mitgliedsländer. Dies sei nötig, weil es wieder mehr Bedrohungen gebe. Dabei wird vor allem Russland genannt, das jedoch seine Rüstungsausgaben von 2016 auf 2017 um 20 Prozent auf 66 Milliarden US-Dollar gesenkt hat. Zum Vergleich: Deutschland gibt derzeit 43 Milliarden US-Dollar für sein Militär aus, die USA 610 Milliarden US Dollar.
Der Gruppendruck in der Nato verhindert den Blick auf das, was durch das Ende des Ost-West-Konflikts im Jahr 1989 bereits erreicht worden war. Damals bewegten sich die Staaten aufeinander zu und überlegten, zu einer gemeinsamen Sicherheit beizutragen, die niemanden ausschließt. Der jetzt wieder vorherrschende eindimensionale Blick auf die Steigerung der Militärausgaben verhindert, dass überlegt wird, wie die Staaten gemeinsam zum Wohl der Weltgemeinschaft und zu mehr globaler Gerechtigkeit beitragen könnten.
Deutschland als reiches Industrieland muss diesen Gedanken stärken und Mittel bereitstellen, damit globale Aufgaben wie die Migration und der Erhalt der Schöpfung angegangen werden können. Das Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben, ist nicht verpflichtend; rechtlich bindend ist nur der Nato-Vertrag von 1949. Der Beitrag, den ein Mitgliedsstaat im Falle eines bewaffneten Angriffs auf einen anderen Mitgliedsstaat zu leisten bereit ist, ist in das Ermessen des jeweiligen Landes gestellt. Jedes Land kann seinen militärischen Beitrag selber bestimmen. Das auf dem Nato-Gipfel 2014 in Wales beschlossene Zwei-Prozent-Ziel ist keine bindende Verpflichtung, wie es auch beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nachzulesen ist.
Höhere Rüstungsausgaben verhindern die Lösung der Zukunftsprobleme
Manche Militärstrategen zeichnen ein defizitäres Bild der Bundeswehr – die Panzer kaputt, die Hubschrauber am Boden, die Kleidung zerschlissen. Zu einer guten Haushaltsführung gehört aber, dass man umsichtig plant, umschichtet und sich am gegebenen Finanzrahmen orientiert. So kritisierte der Bundesrechnungshof verschiedene Maßnahmen des Verteidigungsministeriums, etwa die ungenaue Beschaffung von IT-Systemen für Fregatten, die zu einer Verteuerung pro Schiff von 6 auf 30 Millionen Euro geführt habe. Gibt es mehr Geld für die Bundeswehr, ist anzunehmen, dass solche Fälle zunehmen.
Die Mehrheit der Menschen will keine Aufrüstung. In den USA haben in einer "Gallup"-Umfrage im Februar 65 Prozent der Bürger angegeben, keine weiteren Rüstungsausgaben zu wollen. Geld, das fürs Militär ausgegeben wird, fehlt an anderer Stelle. Besser investiert wäre es in Sozialwohnungen, Entwicklungshilfe, Integrationsprogramme für Benachteiligte oder zivile Konfliktbearbeitung. Höhere Rüstungsausgaben verhindern die Lösung der Zukunftsprobleme, statt dazu beizutragen.