Maria Magdalena: Prostituierte oder Heilige?
Gab es Maria Magdalena wirklich? War sie die Geliebte Jesu? Oder gar seine Mutter? Mit Fragen wie diesen wird die im antiken Magdala am See Genezareth tätige Autorin Jennifer Ristine täglich konfrontiert. Nun will sie mit ihrem englischsprachigen Buch "Mary Magdalene - Insights from Ancient Magdala" (Ansichten aus dem alten Magdala) mit Vorurteilen über die Heilige aufräumen und die biblische Person theologisch deuten.
Jennifer Ristine, gottgeweihte Frau der katholischen Laiengemeinschaft "Regnum Christi", ist seit 2014 als Koordinatorin des Besucherzentrums in Magdala tätig. Bei ihrer Arbeit beobachtete die US-Amerikanerin ein wachsendes Interesse an der Person Maria Magdalenas. Auch in den Medien werde die in der Bibel als Begleiterin Jesu und Zeugin der Auferstehung beschriebene Frau immer prominenter. Gleichzeitig herrsche bei vielen Menschen und auch unter den Besuchern in Magdala viel Unwissenheit.
In ihrem nach eigenen Angaben multidisziplinären Buch will Ristine das Leben und die Nachwirkung Maria Magdalenas aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Zunächst beschreibt sie die Lebensbedingungen in der antiken Stadt Magdala. Dabei beruft sie sich sowohl auf historische Schriften wie auf archäologische Funde. Es folgt eine Analyse und Auslegung der literarischen Zeugnisse über Maria Magdalena, beginnend mit der Bibel, über apokryphe Texte bis hin zur Darstellung ihrer Person in der weiteren kirchlichen Tradition bis heute.
Eine solche Zusammenstellung neuester wissenschaftlicher und spiritueller Erkenntnisse gebe es in dieser Form nicht, sagt die Autorin gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die für das Buch erarbeiteten Darstellungen der kanadischen Illustratorin Danielle Storey brechen laut Ristine zudem mit der Tradition, Maria Magdalena als Kaukasierin, etwa mit langem blondem Haar und heller Haut, darzustellen. Die Künstlerin orientiere sich vielmehr an historischen Darstellungen von Frauen aus dem Nahen Osten.
Die Sammlung an Informationen soll auch Reiseführern eine Hilfe sein, die Magdala gemeinsam mit Pilgern besuchen. Das Buch wolle einen umfassenden Eindruck von der Person Maria Magdalenas liefern, so Ristine.
Wachsendes Interesse an der Figur der Maria Magdalena spürt Ristine auch bei jüdischen Besuchergruppen. Insgesamt stieg in Magdala die Zahl der jüdischen Besucher, seit 2009 im Zusammenhang mit Bauarbeiten für ein geplantes Pilgerhotel eine Synagoge aus der Zeit des Zweiten Jerusalemer Tempels entdeckt wurde. "Die Frage von Erlösung, ob von einer Besessenheit oder im eschatologischen Sinne, ist für Juden ebenso interessant wie für die christlichen Besucher", so Ristine.
Zudem versucht die Autorin, die in der Kirchengeschichte verbreitete Darstellung Maria Magdalenas als Prostituierte zu entkräften und sie durch ihr biblisches Auftreten im Kreise der Jünger Jesu als feministisches Vorbild zu deuten. Maria sei eine Ikone der Hoffnung, die das Lebensintervall eines Christens verkörpere, der durch die Kraft der Erlösung eine einschneidende Veränderung erfahren hat. "Die Botschaft der Heilung durch die Liebe Jesu gibt vielen Menschen Kraft", erklärt Ristine.
"Das Leben Maria Magdalenas bleibt ein Mysterium", sagt die US-Amerikanerin der KNA. Trotz der historischen Informationen und der Deutung literarischer Zeugnisse könne man nur in einem begrenzten Maße Erkenntnisse über ihre Person gewinnen.
Ebendiese historischen Quellen und archäologischen Funde trägt die Autorin in ihrem Buch zu der biblischen Heiligen akribisch zusammen. Kritische Fragen zur Historizität Maria Magdalenas bleiben allerdings nebensächlich. Der Schwerpunkt des an ein breites Publikum gerichteten Buches liegt auf der spirituellen und theologischen Deutung dieser besonderen Frauenfigur für religiös interessierte Leser.