Pilgern zum Schrein

Veröffentlicht am 28.09.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 11 MINUTEN
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Wallfahrt

Köln ‐ Die Domwallfahrt 2012 will barrierefrei sein. Ob zu Fuß, mit dem Rollstuhl, mit dem Rad oder gar per Schiff – auf viele Arten kommen die Gläubigen bis zum 30. September nach Köln, wo ein besonderer Pilgerweg aus dem Mittelalter auf sie wartet.

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Ein voll besetztes Rheinschiff
Bild: ©Sascha Stienen

Auf der Schiffswahllfahrt von Bonn nach Köln

Mehr als 250 Menschen mit und ohne Behinderung, kfd-Frauen und Senioren aus dem Bonner Stadtdekanat treffen sich um 10.30 Uhr am Anleger "Alter Zoll". Pünktlich um 11 Uhr legt die "Rheinperle" der Bonner Personenschifffahrt ab – Ziel ist die Bastei in Köln nach gut zwei Stunden Fahrt. Doch was ist das Besondere an einer Schiffswallfahrt? Die Bonner Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd), Hildegard Leven, sagt: "Das Gemeinsam-unterwegs-Sein, dabei die schöne Umgebung auf dem Rhein genießen, aber auch betend wahrnehmen." Hildegard Leven weiß, wovon sie spricht. Jeden Mai fahren rund 300 Frauen mit der katholischen Frauengemeinschaft nach Bornhofen; seit mittlerweile 60 Jahren. Die kfd-Vorsitzende schätzt die besondere Aura und die Spiritualität, die sie auf einer Wallfahrt erlebt – auch auf dem Schiff.

"Was er euch sagt, das tut"

Nach dem Ablegen vom Bonner Ufer erteilt Diakon Rolf Wollschläger den Reisesegen. Der Altenseelsorger schildert, dass die Katholiken nach Köln zum Dom pilgern, um dort den Schrein mit den Gebeinen der Heiligen Drei Könige zu schauen und anzubeten. "Du Gott des Aufbruchs, sei mit mir unterwegs zu mir selbst", beten die Gläubigen. Dann trägt Wollschläger die Passage aus dem Johannes-Evangelium vor, in der die Ereignisse auf der Hochzeit zu Kana geschildert werden. Der Spruch "Was er euch sagt, das tut" (Joh. 2,5) ist das Motto der diesjährigen Wallfahrt.

Zwei ältere Damen sitzen schon vor Kartoffelsalat mit Würstchen, warten aber geduldig, bis die Andacht vorüber ist. Wollschläger lässt sechs Krüge herumgehen. Dort hinein sollen die Gläubigen Zettel werfen – mit Gedanken zum Johannes-Evangelium, mit Hinweisen, woran es in der Kirche und auf der Welt mangelt, sowie mit persönlichen Anliegen. Die Krüge werden mit in den Dom genommen. Später werden die Zettel verbrannt, sagt der Bonner Hörbehinderten-Seelsorger Udo Klein. "Sie steigen als Rauch zum Himmel, damit die Gedanken dahin gehen, wohin sie gerichtet sind."

Gebärdendolmetscher übersetzt live

Klein übersetzt mit Gebärden die Andacht für eine kleine Gruppe hörbehinderter Menschen. Eine Frau unter ihnen ist Siegried Ernst aus Bad Münstereifel. Die 64-Jährige möchte im Dom für den Frieden in ihrer Familie und in der Welt sowie für persönliche Anliegen beten. Sie bezeichnet die Atmosphäre auf dem Schiff als sehr angenehm. Es sei ein schönes Gefühl, mit Hörenden gemeinsam zu reisen. "Hier wird Integration gelebt", dolmetscht Udo Klein.

Ausstellungsansicht Die Gabe (Teil I), Galerie der DG 2015/2016
"Urban Tai Chi" von Ulf Aminde
"Das gnadenlose Land" des Kunstprojekts IKONOSTASE V.
"Ich bin gerne Bauer und möchte es auch gerne bleiben" von Antje Schiffers.
Galerie: 6 Bilder

„Dadurch wurde mein Glauben gestärkt“

—  Zitat: Monika Langkau über die Kölner Domwallfahrt
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Video: © Erzbistum Köln und Alpha Entertainment

Die gothische Kathedrale auf dem Weg ins 21. Jahrhundert

Dorissa Lem: Walgesänge
Dorissa Lem: Urschrift
Dorissa Lem: Perugia
Dorissa Lem: Mandorla I-V
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Die Bonnerin Monika Langkau (58) hat ihrem Mann Jürgen (68) die Tickets für die Schiffswallfahrt zum Geburtstag geschenkt. Der gläubige Katholik will im Kölner Dom ganz persönliche Anliegen vortragen und für seine Familie beten. Monika Langkau hofft auf ähnlich tiefgreifende spirituelle Erlebnisse, die sie schon bei früheren Wallfahrten hatte. "Dadurch wurde mein Glauben gestärkt", berichtet sie. Auch sie hat ein Anliegen auf ihren Zettel geschrieben.

Nach dem ersten Teil der Andacht gibt es eine Gebetspause mit Raum zum Essen und für Tischgespräche über das Wallfahrtsmotto. Dazu haben die Organisatoren fünf Impulsfragen auf den Tischen deponiert. "Sie müssen sie nicht alle abarbeiten", beruhigt Diakon Wollschläger. Die Wallfahrer essen und trinken. Dann gehen viele der rund 250 noch mal zur Toilette. Eine ältere Dame scherzt: "Jetzt geht die Prozession hier herunter."

Gemeinsam beten die Schiffswallfahrer abschließend die "Litanei zur Muttergottes". Diakon Wollschläger legt allen noch ein Bild des Freskos aus dem Hochchor des Bonner Münsters ans Herz. Es zeigt die Hochzeit zu Kana. Am Kölner Ufer begrüßt Bonns Stadtdechant Wilfried Schumacher die Gläubigen, die danach in kleinen Gebetsgruppen zum Dom pilgern – jeder in seiner Geschwindigkeit. Am Südportal wartet Kim Heineke vom Generalvikariat des Erzbistums und erklärt den Pilgern, wo der richtige Eingang ist und dass sie unter dem Dreikönigenschrein von 1180 durchgehen werden. Zum Pilgerweg gehören des Weiteren die Mailänder Madonna (um 1290) und das Gerokreuz aus dem zehnten Jahrhundert.

Ein erhebendes Gefühl

Morgens strömten schon 550 Vorschulkinder aus dem Stadtdekanat Bonn in den Dom. Gegen 15 Uhr beginnt die Andacht des Patendekanats Bonn mit den Schiffswallfahrern. Kfd-Vorstandsfrau Nawal Obst hat den Gottesdienst mit gestaltet. Sie schätzt an der Domwallfahrt das besondere "Gefühl der Zugehörigkeit". Menschen von überall her kommen in den Dom, um gemeinsam zu beten – das findet sie erhebend.

Hinweis: Insgesamt werden rund 50.000 Pilger aus dem Erzbistum bis zum Sonntag, 30. September, im Kölner Dom erwartet. Bis Sonntag ist der Pilgerweg durch den Dom geöffnet, es werden Pilgermessen gefeiert und besondere Gebete sowie kulturelle Veranstaltungen angeboten. Eine Übersicht gibt unter www.domwallfahrt.de .

Von Sascha Stienen