Petition für faire Handelsverträge mit Ostafrika

Fluchtursachen bekämpfen: KAB sammelt 75.000 Unterschriften

Veröffentlicht am 19.10.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Stuttgart/Kampala ‐ Der Erfolg überrascht sie selbst: Ein kleiner Diözesanverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung hat in wenigen Wochen mehr als 70.000 Unterschriften gesammelt – gegen ein EU-Handelsabkommen mit Ostafrika, das Fluchtursachen schaffen statt verhindern würde.

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Nach einem Tag gleich 20.000 Unterzeichner, nach zwei Wochen 60.000. Inzwischen läuft es etwas langsamer, aber ein kleiner katholischer Verband in Württemberg hat es dennoch geschafft, innerhalb von fünf Wochen mehr als 72.000 Unterschriften zu sammeln; das Ziel von 75.000 wird bald erreicht sein. Einerseits ist Peter Niedergesäss, Diözesansekretär der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Rottenburg-Stuttgart, überrascht über den Zuspruch. Es ist seine erste Online-Petition – und der Titel "Faire Handelsverträge für Ostafrika" klingt nicht gerade nach Bürgernähe. Andererseits weiß er, was alles an dem Thema dranhängt: Armut und Flucht.

"Das geplante EU-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft ist das Gegenteil von 'Fluchtursachen bekämpfen'", sagt Niedergesäss. Es sei vielmehr eine Art CETA oder TTIP, mit dem Unterschied, dass Afrika die negativen Folgen ganz anders zu spüren bekommen würde als etwa Kanada. Dadurch werden sich noch mehr Menschen werden auf den Weg nach Europa machen. Die Europäische Union hat die Verhandlungen mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft bereits vor vier Jahren abgeschlossen. Allerdings haben als Einzelstaaten bislang nur Ruanda und Kenia das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) unterzeichnet und ratifiziert. Die anderen vier  – Uganda, Burundi, Südsudan und Tansania – zögern noch. Der tansanische Präsident John Magufuli bezeichnete das Abkommen vergangenes Jahr als eine "Form des Kolonialismus", die schlecht für das Land sei. Wenn nicht alle sechs Staaten zustimmen, platzt der Vertrag.

Wenn er aber in Kraft tritt, wären die Länder der Ostafrikanischen Gemeinschaft gezwungen, ihre Märkte für europäische Produkte schrittweise zu öffnen. Kritiker wie die KAB fürchten, dass subventionierte EU-Milchprodukte, Hähnchenteile, Weizen und Tomaten zu Dumpingpreisen den afrikanischen Markt überschwemmen und dadurch die Existenz der Bauern Ostafrikas gefährden sowie regionale Märkte destabilisieren.

Die sechs Länder der Ostafrikanischen Gemeinschaft und ihre Flaggen sind auf einer Weltkarte eingefärbt.
Bild: ©Fotolia.com/michal812

Die Ostafrikanische Gemeinschaft (East African Community, EAC) wurde 2000 von Kenia, Uganda und Tansania gegründet. Seit 2007 gehören ihr auch auch Burundi und Ruanda sowie seit 2016 der Südsudan an.

Gegen dieses Szenario sammelt Niedergesäss mit seiner 4.500 Mitglieder starken KAB Unterschriften – vor allem online. Die Petition richtet sich an die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und an Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Malmström wird gebeten, das Abkommen zu stoppen und den Dialog für faire Handelsbeziehungen zu öffnen – dies sei auch ein Wunsch von Ugandas Präsident Yoweri Museveni, heißt es in der Petition.

Für Niedergesäss ist das Thema nicht abstrakt. Er hat im Juli und August drei Wochen lang Uganda besucht, den Binnenstaat am Victoriasee, der zu den ärmsten Ländern der Welt gehört. Seit rund 25 Jahren besteht eine Partnerschaft der schwäbischen KAB mit der katholischen Arbeitnehmerbewegung Ugandas. Als er sich vor Ort Agrar- und Tierhaltungsprojekte ansah, sprachen ihn die Menschen auf das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen an. "Mit den von uns geförderten Projekten hat sich die Einkommenslage der Bevölkerung nachhaltig verbessert. Aber unsere Partner brauchen mehr Absatzmöglichkeiten – und nun passiert das Gegenteil", sagt er. Die Billigkonkurrenz aus der EU würde all das zunichte machen.

Niedergesäss verweist auf andere Beispiele aus Afrika: In Kamerun wird Joghurt mit subventioniertem Milchpulver aus Europa kostengünstiger hergestellt als mit einheimischer Milch. In Ghana zerstören derzeit zu Dumpingpreisen exportierte EU-Hühnerflügel die lokale Hühnerzucht. Auch in Uganda sieht man die Konsequenzen von Freihandelsabkommen bereits heute. Im Supermarkt habe er Ananas-Produkte aus der Türkei gesehen, berichtet der KAB-Chef. Die tropische Frucht wird natürlich auch in Uganda selbst angebaut. Bei Unterschrift-Sammelaktionen rund um Erntedank hatte die württembergische KAB deshalb getrocknete Ananas aus einem Fairtrade-Projekt in Uganda zum Verkauf angeboten.

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"Ich bin schockiert, dass die EU weiterhin versucht afrikanische Länder auszubeuten," sagt der KAB- Diözesansekretär über seine Motivation, die Petition zu starten. Umso mehr freut er sich, dass sein Anliegen bereits 35.000 Unterzeichner auf der Plattform "Change.org" fand, bevor überhaupt die KAB selbst ihre eigenen Mitglieder und Partner wie die Weltläden über die Petition informiert hatte. Unterstützung komme auch aus Uganda selbst. Dort seien die Menschen auf die Landwirtschaft angewiesen, um ihre Kinder auszubilden und sich aus der Armut zu befreien, schreibt eine ugandische Frau in einer Mail an Niedergesäss. "Mit diesem Abkommen werden wir unsere Einkommensquelle verlieren, da wir auf dem europäischen Markt nicht günstig konkurrieren können."

Africa Kiiza vom ugandischen Handelsinformationsinstitut Seatini freut sich, dass die Petition zum richtigen Zeitpunkt kommt: Denn die Ostafrikanische Gemeinschaft prüfe immer noch ihre Entscheidung, ob sie das WPA unterzeichnen und ratifizieren soll. "Die KAB-Petition wird dazu beitragen, die endgültige Entscheidung des EAC mit zu beeinflussen," so Kiiza.

Niedergesäss selbst rechnet sich gute Chancen aus. Er wisse zwar nicht, ob sich Malmström direkt von der Petition beeindrucken lasse. Aber er hofft auf eine Einwirkung der Bundesregierung auf die EU. Mit Norbert Barthle, dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, sei bereits ein Termin vereinbart, um eine offizielle Übergabe an Entwicklungsminister Müller zu planen. "In der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung steht, dass die Wirkung und der Sinn von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Afrika überprüft werden sollen." Da helfe eine Petition, die zeige, was Menschen in Deutschland darüber denken. Laut Niedergesäss ist das Folgendes: "All die Unterzeichner wollen einen Handel auf Augenhöhe, der den afrikanischen Staaten eine Chance zur Entwicklung ermöglicht und nicht unfaire Handelsverträge, die die Existenz rauben weiterhin Flucht verursachen."

Von Agathe Lukassek