"Die Schwarz-Weiß-Malerei der AfD ist nicht hinnehmbar"
Der christlich-islamische Dialog müsse angesichts hitziger Debatten rund um die Themen Migration und Islam offen und ehrlich geführt werden, findet Timo Güzelmansur. Der Geschäftsführer der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle der Deutschen Bischofskonferenz (CIBEDO) setzt dabei allerdings auf leisere Töne und Sachlichkeit. Die Deutungshoheit über bestimmte Themen dürfe man weder den Populisten noch den Islamisten überlassen.
Frage: Herr Güzelmansur, die Debatten um den Islam sind in der deutschen Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren schärfer geworden, man denke allein an die Stellungnahmen der AfD. Hat sich dadurch auch der christlich-islamische Dialog verändert?
Güzelmansur: Die Entwicklungen in den letzten Jahren, man denke an den "Arabischen Frühling", aber auch an das Aufkommen des sogenannten Islamischen Staates, die Terroranschläge – die Liste ist lang – haben Auswirkungen auf das Zusammenleben von Christen und Muslimen. Die AfD nimmt in ihren Stellungnahmen auf Themen wie Migration, Integration und Islam Bezug und hebt eher die problematischeren Aspekte hervor, ohne das Positive zu würdigen und betreibt eine nicht hinzunehmende Schwarz-Weiß-Malerei. Das zeigt aber auch die Schieflage in der Politik in den letzten Jahren, dass man sich nicht entschiedener auch mit negativen Aspekten dieser Themen auseinandergesetzt hat, beziehungsweise diese konstruktiv angegangen ist. Diese Auseinandersetzung hat auch den christlich-islamischen Dialog nicht unberührt gelassen. Es ist notwendig, dass wir die Deutungshoheit der Themen nicht einer Gruppe überlassen, sondern offen und ehrlich damit umgehen.
Frage: Deutschland ist zugleich eine zunehmend säkulare Gesellschaft, in der die Religion für viele im Alltag kaum noch eine Rolle spielt. Was kann der christlich-islamische Dialog eine bessere Verständigung der verschiedenen Gesellschaftsgruppen bewirken?
Güzelmansur: Das Zweite Vatikanische Konzil ermutigt Christen und Muslime, "sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen". Wenn wir uns gemeinsam für diese Ziele einsetzen und vielleicht etwas bewirken können, dann profitieren auch die verschiedenen Gruppen und die Gesellschaft insgesamt von so einem positiven Engagement.
Frage: Das Thema radikaler Islam bzw. Salafismus ist in Deutschland ein Problem. Frankfurt gilt als eine der Hochburgen. Dort werden verfassungsfeindliche Inhalte gepredigt und etwa zum Mord an Juden aufgerufen. Welche Antwort hat CIBEDO bzw. der christlich-islamische Dialog auf Hassprediger?
Güzelmansur: Wenn es solche Hetzpredigten und klar verfassungsfeindliche Tendenzen gibt, dann sind in erste Linie die verschiedenen Sicherheitsorgane des Staates gefragt. Ich denke, dass der christlich-islamische Dialog in diesen Bereichen wenig bewirken kann, wenn die Fronten so verhärtet sind. Nach meinem Dafürhalten sind diese Erscheinungen eine kleine, aber leider laute Minderheit unter vielen friedlichen Muslimen in unserem Land.
Frage: Müsste sich CIBEDO bzw. der wissenschaftliche Diskurs angesichts der lauten Töne von rechten Politikern oder auch von Hasspredigern nicht noch mehr Gehör verschaffen, um einer Spaltung der Gesellschaft vorzubeugen?
Güzelmansur: Sicherlich kann man immer den einen oder anderen Aspekt noch bedenken und aufnehmen, um den Radius der Wirkung zu vergrößern. Nicht, wer laute Töne von sich gibt, ist im Recht, sondern, wer seine Ansichten und auch konstruktive Kritik dialogkompatibel vorträgt. Wir bemühen uns um eine sachliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Themen. Wenn ich noch anmerken darf: Wir haben am 19. Oktober das vierzigjährige Bestehen von CIBEDO mit einem Festakt gefeiert. Daran hat unser Bundespräsident Steinmeier teilgenommen und uns in diesem Sinne ermutigt, weiterzumachen.
Frage: Sie selbst haben sich vertieft mit dem türkischen Islam auseinandergesetzt. Immer wieder wird der Vorwurf laut, der türkische Islam in Deutschland stehe unter dem Einfluss der türkischen Regierung. Wie kann er sich davon freihalten?
Güzelmansur: In Deutschland leben verschiedene Gruppen von Menschen, die aus der Türkei stammen und somit ein türkisch geprägtes Islamverständnis haben und ihre Religion dementsprechend praktizieren. Es gibt also ganz unterschiedliche Verständnisse von einem "türkischen Islam". Bei der Kritik steht Ditib im Vordergrund, auch aufgrund von verschiedenen Verflechtungen mit dem türkischen Staat. Es gibt aber auch andere Organisationen, die den Einfluss des türkischen Staates abwehren können. Es gibt eine zunehmende Notwendigkeit, Religion und Politik auseinanderzuhalten, die auch von vielen Muslimen gesehen wird. In Deutschland herrscht Religionsfreiheit und eine Trennung zwischen Religion und Staat mit der Option der Kooperation. Das heißt, hier haben auch muslimische Organisationen die Möglichkeit, sich auf ihren Kernbereich zu konzentrieren und Politik – auch aus den früheren Heimatländern – außen vorzulassen.
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Frage: Sie sind in der Türkei groß geworden und sind im Jahr 1997 vom Islam zum Christentum konvertiert. Wie kam es dazu?
Güzelmansur: Damals habe ich durch einen Freund Christen kennengelernt. Nach vielen Gesprächen und Diskussionen wollte ich mir ein eigenes Bild davon machen, was so in der Bibel steht. Die Lektüre des Neuen Testaments und die Beschäftigung mit Jesus, von dem ich fasziniert bin, führten irgendwann zur Frage, wie kann ich auf die Liebe Jesu antworten, die sich am Kreuz gegenüber den Menschen manifestiert. Meine Antwort war, mich taufen zu lassen und in die Nachfolge Jesu einzutreten.
Frage: Wie hat die Auseinandersetzung mit der katholischen Theologie – u.a. in Ihrer Studienzeit in Rom – Ihre Sicht auf Ihren eigenen Glauben verändert?
Güzelmansur: Meine Eltern gehören zu den arabischsprachigen Alawiten, man nennt diese kleine Gruppe auch Nusairier. In meiner römischen Studienzeit an der Päpstlichen Universität Gregoriana, an der Menschen aus fast allen Teilen der Erde studieren, erkannte ich, was eine Weltkirche zu sein bedeutet. Die Universalität der christlichen Botschaft wurde mir bewusster.
Frage: Was wünschen Sie sich künftig für das Miteinander von Christen, Muslimen und auch von Säkularen in Deutschland?
Güzelmansur: Ich wünsche mir, dass wir – wie ich eingangs gesagt habe – uns mehr und mehr als Partner und Mitstreiter für eine gerechtere Welt einsetzen, in der wir erkennen und anerkennen, dass religiöse und ethnische Zugehörigkeit keine Hindernisse darstellen, friedlich miteinander zu leben.