Was Kinder über den Tod denken
Hannah sitzt am Frühstückstisch und schaut nachdenklich in die weißen Wolken vor dem Fenster. "Hallo, Oma im Himmel", sagt die Vierjährige schließlich, lächelt und winkt. Dann beißt sie zufrieden in ihr Marmeladenbrot.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass Gedanken an den Tod sehr früh auftreten. Bereits in den ersten Lebensjahren hat der Mensch eine Ahnung davon, was unbelebt und was belebt ist. "Kinder machen sich sehr viel früher Gedanken, als wir gemeinhin glauben", erklärt die Professorin für frühkindliche Bildung und Erziehung an der Evangelischen Hochschule in Nürnberg, Roswitha Sommer-Himmel. "Für die meisten Kinder unter fünf Jahren ist der Tod allerdings nichts Endgültiges". Sie vergleichen ihn mit dem Schlaf, aus dem man wieder aufwacht oder mit einer Reise, von der man wieder zurückkommt.
Im Vorschulalter überwiege der "forschende Zugang", so die Pädagogin. Kinder wollten begreifen, was da passiert, seien neugierig und blieben deshalb auch "vor jedem toten Regenwurm oder leblosen Vogel" stehen.
Den Tod anschaulich erklären
Hier sei es wichtig, den Tod anschaulich zu erklären und sich dabei an der kindlichen Vorstellungswelt zu orientieren - ganz konkret zu werden: "Der steht nicht mehr auf, isst nichts mehr, trinkt nichts mehr, kann nichts mehr fühlen", macht die Expertin es vor. Es müsse zunächst der "technische Vorgang" verstanden werden.
Realistischere Bilder entwickelten sich erst ab dem Schulalter. "Kinder begreifen dann, dass der Tod unumkehrbar ist", so Sommer-Himmel. Manche fragen ihre Eltern, manche denken für sich abends im Bett darüber nach. Wie ist es überhaupt, tot zu sein? Was passiert mit dem Körper, was mit der Seele? Kann man im Himmel spielen? Und wie sieht Gott aus - wenn es ihn überhaupt gibt?
Im Himmel "ist alles schön und man kann da gut spielen und andere tolle Sachen machen. Vielleicht auch Trampolin springen", hofft Jonathan, sieben Jahre alt. Der neunjährige Mehmet sagt: "Eigentlich stelle ich mir den Tod ganz normal vor. Wenn man ein guter Mensch war und keinen umgebracht hat und keine blöden Wörter rausgerutscht sind, dann kommt man ins Paradies."
Aus den jeweiligen kindlichen Vorstellungen könne man auch ablesen, ob Religion in der Familie eine Rolle spiele, so Sommer-Himmel. Dann würden bestimmte Vorstellungen oder Signalwörter genannt. Im Himmel seien "Engel, Gott und die Seelen von den Menschen. Die sind auch weiß und nur schwer sichtbar", meint etwa die siebenjährige Clara.
Beim Verstehen und Verarbeiten des Tabuthemas Tod helfe ein offener Umgang, findet die Leiterin des Kinderhospiz- und Familienbesuchsdienst beim Berliner Caritasverband, Beate Danlowski. Verheimlichen funktioniere ohnehin nicht: "Bereits Kleinkinder nehmen Trauer auch auf der nonverbalen Ebene wahr", sagt sie. So könne bereits ein Baby im Arm seiner Mutter spüren, dass diese traurig sei, weil "bei Trauer die Körpertemperatur sinkt". Außerdem sei die mütterliche Aufmerksamkeit für das Kind nicht voll da.
Wenn Kinder wissen, dass sie bald sterben müssen
Danlowski, die unheilbar kranke Kinder in ihren letzten Lebensmonaten begleitet und für die Familien da ist, hat die Erfahrung gemacht, dass Kinder oft wissen, dass sie bald sterben müssen, auch, wenn die Eltern es ihnen nicht sagen: "Sie sind noch unmittelbarer mit ihrer Seele in Verbindung als Erwachsene."
Angst vor Schmerzen und die Frage, warum man überhaupt sterben muss, beschäftigen viele Kinder - auch diejenigen, für die der Tod noch weit weg ist. "Wenn ich natürlich sterbe, habe ich keine Angst. Bei Krebs oder einem Unfall schon", findet etwa Mehmet. Und die fünfjährige Josefine bricht mitten im Treppenhaus plötzlich in Tränen aus und sagt: "Aber Mama, das ist ja furchtbar traurig, wenn alle Menschen sterben müssen."
Pädagogin Sommer-Himmel empfiehlt, die kindliche Trauer und auch das Unverständnis über den Tod an sich zuzulassen und zunächst einmal zu sagen: "Ja, das ist traurig." Wenn Erwachsene keine eigene Antwort etwa auf die Frage nach dem Leben nach dem Tod haben, sollten sie die Kinder nach ihrer Meinung fragen. "Sie sind oft viel fantasievoller und kreativer als wir."