Vor der Entscheidung über Roms Beitrag zur Architekturbiennale

Die ungewisse Zukunft der vatikanischen Kapellen von Venedig

Veröffentlicht am 16.11.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Erstmals hat der Heilige Stuhl an der Architekturbiennale in Venedig teilgenommen. Nicht mit Modellen, sondern mit gleich zehn richtigen Gebäuden. Kurz vor Ende der Ausstellung wird nun entschieden, ob die "Vatican Chapels" dauerhaft bleiben dürfen.

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Auf dem flachen Glasdach der Kapelle des chilenischen Architekten Smiljan Radic liegt eine dicke Schicht aus Zedernnadeln und Blättern. Die Sonne traut sich kurz hinter den Wolken hervor und trocknet langsam das dunkle Holz der Kapelle von Norman Foster. Ansonsten haben die "Vatican Chapels" im Garten der Insel San Giorgio Maggiore die Unwetter und Überflutungen der letzten Tage unbeschadet überstanden.

Zehn Kapellen und ein Pavillon stehen in dem Wäldchen auf San Giorgio Maggiore, einer kleinen Insel direkt gegenüber von Venedigs Dogenpalast und Markusturm. Während sich drüben – bei Hochwasser auf schmalen Stegen – Touristen über den Markusplatz drängeln, spaziert man hier durch Stille und Natur. Das soll auch so sein, denn der vatikanische Beitrag zur diesjährigen Architekturbiennale orientiert sich an der "Waldkapelle" des schwedischen Architekten Gunnar Asplund aus dem Jahr 1920. "Der Wald ist die Metapher für das Labyrinth des Lebens, für das Verlorengehen. Asplunds kleines Meisterwerk ist ein Orientierungspunkt, ein Ort der Begegnung und Meditation", sagte Kurator Francesco Dal Co bei der Vorstellung des Projekts.

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Die Zedern auf San Giorgio Maggiore liefern nun die Kulisse, vor und in der zehn internationale Architektinnen und Architekten neu über den Ort und den Raum der Kapelle nachgedacht haben. Normalerweise stellen die nationalen Pavillons auf Biennalen nur Skizzen oder Modelle aus. Hier wurden die Gedanken direkt gebaut. Innovative Formen finden und ausprobieren, nicht nur in den Vorstellungswelten der Vergangenheit stillstehen, das war das Ziel des Projekts. "Wir können nicht in eine Zukunft steuern, indem wir nur zurück schauen. Wir müssen unser Erbe bewahren und es gleichzeitig fruchtbar machen für neue Ideen.", sagte Kardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des Päpstlichen Kulturrats, der Online-Zeitung Crux. Er hatte die Teilnahme an der Biennale für Architektur initiiert. Kurator Dal Co wählte dazu ganz unterschiedliche Architektinnen und Architekten aus, um eine größtmögliche Vielfalt der Ideen zu erreichen. Einzige Vorgaben aus Rom: ein Ambo und ein Altar. Ansonsten sollten die Kapellen selbst und die sie umgebende Natur wirken.

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Die Kapelle des berühmten britischen Architekten Norman Foster schlägt diese Verbindung zur Natur sehr wörtlich. Sie ist eine Brücke, deren Wände und Dach ein Spaliergitter bilden. Drei große Kreuze aus Metallstangen dienen als Stützelemente für die Konstruktion. Auf den Fotos vom Mai sieht man es noch nicht, aber um das Gebäude ist Jasmin gepflanzt, der es einmal ganz einhüllen soll. Am Ende der Brücke, hinter dem einfachen Holzblock-Altar, öffnen sich die Wände und geben den Blick auf die grün-blauen Wasser der Lagune frei.

Sehr minimalistisch ist der Beitrag der Brasilianerin Carla Juaçaba: Im rechten Winkel sind hier zwei riesige Kreuze aus glänzendem Stahl an ihren jeweiligen unteren Enden miteinander verbunden. So liegt ein Kreuz auf dem Boden und dient als Sitzmöglichkeit, während das andere aufrecht davor steht.

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Das kleine Häuschen des Japaners Terunobu Fujimori mit seinem tiefgezogenen Dach erinnert von allen Projekten noch am ehesten an eine klassische Kapelle. Durch eine schmale Öffnung betritt man das schlichte Innere. Doch auch dieser Raum entfaltet eine ganz eigene Poesie. Die komplette Apsiswand hat Fujimori mit unzähligen kleinen Kohlestücken besetzt, sie lassen nur eine ovale Fläche in der Mitte der Wand frei. Dadurch wird das eigentlich rein funktionale Balkenkreuz, das die Decke trägt, plötzlich als Kreuz hervorgehoben.

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Nicht alle Kapellen verwenden christliche Symbolik, manche lenken den Blick auf die Natur oder bieten Mauern, in denen man sich geborgen fühlt. In jedem Fall sind es besondere Räume. Eigentlich viel zu schade, um sie am Ende der Biennale wie alle anderen Länderpavillons abzubauen. Das findet auch Kurator Dal Co. Auf Anfrage von katholisch.de sagte er, dass sich alle Beteiligten am 17. November mit der Fondazione Cini, der Verwalterin der Insel, treffen würden. Es soll entschieden werden, ob das Projekt noch für drei weitere Jahre auf der Insel stehen kann. Dal Co ist sich schon jetzt sicher: Die Waldkapellen werden auf San Giorgio Maggiore bleiben. So dass sich Norman Fosters Brückenspalier bald ganz in blühenden Jasmin hüllen kann.

Von Cornelius Stiegemann