Mehr Altes Testament, mehr Frauen – und Heilige

Evangelische Kirche führt neue Ordnung für Gottesdienste ein

Veröffentlicht am 27.11.2018 um 14:13 Uhr – Lesedauer: 

Hannover ‐ Auch in der Evangelischen Kirche gibt es ab dem 1. Advent Neuerungen im Gottesdienst: Während die Katholiken nur die Bibelübersetzung wechseln, gibt es bei den Protestanten eine Runderneuerung der Leseordnung – mit einigen überraschenden Festen.

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In der evangelischen Kirche wird am Sonntag eine neue "Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder" eingeführt. Sie gilt als Richtschnur für die Lesungen und Predigttexte in den evangelischen Gottesdiensten an Sonn- und Feiertagen, wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Dienstag in Hannover mitteilte. Sie sei für alle Gemeinden der Gliedkirchen der EKD "verbindlich, jedoch nicht verpflichtend". Auf Anfrage von katholisch.de erläuterte eine Sprecherin der EKD, dass damit ausgedrückt werde, dass die Ordnung zwar in der ganzen Kirche Richtschnur ist, einzelnen Pfarrern aber die Möglichkeit bleibt, ohne Konsequenzen von den Vorgaben bei Bedarf abzuweichen.

Auch in den katholischen deutschsprachigen Gemeinden wird am 1. Advent ein neues Lektionar eingeführt. Während hier aber nur die neue katholische Einheitsübersetzung der Bibel von 2016 übernommen wird, handelt es sich bei der Neuordnung auf evangelischer Seite um ein umfangreiches Reformprojekt.

Mehr Altes Testament und mehr Frauen

"Die 'Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder' ist ein Einheitsband des deutschen Protestantismus wie die Lutherbibel und das Gesangbuch", erläutert der Vorsitzende der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK), Kirchenpräsident Christian Schad. Darin seien viele neue Lesungstexte aufgenommen worden. Rund ein Fünftel der Bibeltexte der seit 1978 geltenden Ordnung wurde ausgetauscht.

Künftig sollen in evangelischen Gottesdiensten mehr Texte aus dem Alten Testament zu hören sein und mehr Texte, in denen Frauen eine wichtige Rolle spielen. Auch Texte wie das Buch Hiob, die eine große Resonanz in Kunst und Kultur gefunden haben, wurden stärker berücksichtigt. Bei den vorgeschlagenen "Predigttexten" gibt es eine größere Vielfalt, unterschiedlicher Textgattungen wechseln sich ab, darunter erstmals auch Psalmen. 

Die neue Lutherbibel
Bild: ©dpa/Karl-Josef Hildenbrand

2017 erschien die revidierte Fassung der Lutherübersetzung, die auch im Gottesdienst verwendet wird.

"Durch die Zusammenstellung der Texte und Lieder erschließt sich der Reichtum der biblischen Tradition noch einmal ganz neu", so der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Ralf Meister. Jeder Sonn- und Feiertag habe "eine eigene Prägung". Schad und Meister halten am Sonntag die Predigt in einem Gottesdienst in der Schlosskirche in Wittenberg, in dem die neue Ordnung eingeführt wird.

Neue Fest- und Gedenktage – auch mit ökumenischer Bedeutung

Zu den Neuerungen gehört die Aufnahme von Fest- und Gedenktagen. Für jeden Festtag sieht die Ordnung drei Bibel-Lesungen und zwei Lieder vor, dazu einen Psalm, einen Halleluja-Vers und einen Tages- oder Wochenspruch.

Zu den neu aufgenommenen Anlässen gehören etwa der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (27. Januar) und der Novemberpogrome (9. November), aber auch des Martinstags (11. November) und des Nikolaustags (6. Dezember). Die Aufnahme von Tagen, die in der katholischen Kirche als Heiligen-Gedenktage begangen werden, kann durchaus als ökumenische Geste verstanden werden, bestätigte eine EKD-Sprecherin gegenüber katholisch.de. Hauptsächlich ginge es dabei aber um Tage, die auch im Jahreskreis evangelischer Einrichtungen wie Kitas bereits jetzt geprägt sind. Theologisch ändere sich in der Betrachtung der von Katholiken als heilig Betrachteten dadurch nichts. (fxn/KNA)