Kerzen beleuchten den Weg auf Weihnachten hin

Rorate: Warum wir im Advent Marienmessen feiern

Veröffentlicht am 08.12.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ In dunklen Dezembernächten feiern viele Gemeinden früh am Morgen oder spät am Abend Rorate-Messen: Nur von Kerzen erleuchtet weisen die besinnlichen Gottesdienste auf die erwartete Ankunft des Herrn hin – doch eigentlich geht es dabei um die Mutter Jesu.

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"Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen!" – voll Hoffnung richtet sich in der Adventszeit der Blick mit den Worten des Propheten Jesaja auf die Erlösung: "Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor!" (Jesaja 45, 8)

Die lateinischen Worte, mit denen diese Stelle beginnt, wurden bereits früh in der Liturgie verwendet: Im vierten Jahrhundert sind Wechselgesänge belegt, in denen die lateinischen Worte "Rorate caeli" ("Tauet, Himmel")als Kehrvers dienten.

Das beliebteste Lied, das nicht im Gotteslob-Stammteil steht

Zur Rorate-Tradition gehört heute auch das Lied "Tauet, Himmel, den Gerechten", dessen heutiger Text auf den Jesuiten Michael Denis im 18. Jahrhundert zurückgeht. Obwohl es eines der beliebtesten Adventslieder ist, ist es eine Kuriosität im Gotteslob: Es steht nämlich nicht im Stammteil, der in allen deutschsprachigen Diözesen gleich ist. (Unter der Nummer 231 findet sich dafür im Stammteil das auf dieselbe Bibelstelle zurückgehende "O Heiland reiß die Himmel auf".) Dafür taucht es in jedem einzelnen Eigenteil auf, in dem die einzelnen Bistümer regional bedeutende Lieder zusätzlich aufnehmen. Der Grund dafür liegt in den großen regionalen Unterschieden in Text und Melodie. In Österreich und in den norddeutschen Bistümern sind sogar gleich zwei Varianten abgedruckt.

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Video: © KFA und Dr. Benno Bulitta

Eine der vielen Varianten von "Tauet, Himmel, den Gerechten" klingt so.

Was die Lieder gemeinsam haben: Da, wo man heute in der Einheitsübersetzung "lasst Gerechtigkeit regnen" liest, heißt es im Lied "Tauet Himmel den Gerechten"; das Wort "iustum" aus der lateinischen Bibelübersetzung, der Vulgata, lässt sich sowohl als "Gerechtigkeit" wie als den "Gerechten" übersetzen – und wird durch die Übersetzung des Lieds explizit auf Christus hin gedeutet, wo der hebräische Urtext diese christologische Deutung nicht zwingend macht.

Heute prägen die Rorate-Messen den Advent. Meist frühmorgens, vor Sonnenaufgang, oder am Abend, nach Sonnenuntergang, werden diesen ruhigen Gottesdienste gefeiert, oft nur von Kerzen beleuchtet: Symbolisch wartet die Gemeinde in der dunklen Kirche auf das Kommen des Lichts, auf Christus. Besonders im Süden Deutschlands sind Rorate-Messen beliebt; in den Alpen war es auch üblich und ist es zum Teil bis heute, die Messen vor dem ausgesetzten Allerheiligen zu feiern. In den Tagen vom 17. bis 24. Dezember wurden Rorate-Messen einst so prunkvoll gefeiert, dass sie im Volksmund auch "Goldene Messen" genannt wurden.

Goldene Messe und Engelamt

Rorate-Messen als morgendliche oder abendliche Werktagsmessen haben sich im Laufe der Zeit entwickelt. Wann genau, ist nicht mehr genau festzustellen; mindestens bis ins 15. Jahrhundert geht der Beginn der Tradition zurück, die ursprünglich Messen an Samstagen der Adventszeit als Votivmessen zu Ehren Marias vorsah. Als Evangelium diente die Verkündigung des Herrn aus dem Lukasevangelium, in dem der Erzengel Gabriel Maria die Geburt Jesu ankündigt – daher stammt, befördert durch die Verwendung der liturgischen Farbe Weiß, auch der alte Name "Engelamt".

Volle Kirche Herz Jesu in Bad Godesberg zur Rorate-Messe
Bild: ©katholisch.de

So gut wie hier in der Kirche Herz Jesu in Bonn-Bad Godesberg sind viele Rorate-Messen besucht: Die besinnlichen Adventsgottesdienste sind nicht wegzudenken aus dem liturgischen Leben vieler Pfarreien.

Schon der Eingangsvers, "Taut, ihr Himmel", verweist dabei auf die Menschwerdung Gottes, die der Engel Maria verheißt. Die Erde, von der Jesaja hofft, dass sie sich öffnen möge, ist ein mütterliches Bild: "Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn und wird ihm den Namen Immanuel geben." Die Hoffnung des Propheten wurde wahr im Ja Marias zum Willen Gottes, seinen Sohn zu empfangen, und so findet die Rorate-Messe ihren Platz in der Vorbereitung auf das Fest der Geburt Jesu.

Marianische Frömmigkeit prägt auch Advent und Weihnachten

Der Advent läuft auf die Geburt Jesu zu – doch ohne Mutter keine Geburt, und daher prägt marianische Frömmigkeit heute noch Advent und Weihnachten. Das Fest wird quasi eingerahmt von Marienfesten: Am 8. Dezember, neun Monate vor Mariä Geburt, feiert die Kirche Mariä Empfängnis, das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter. Das nächste Marienfest ist am 1. Januar mit dem Hochfest der Gottesmutter am Oktavtag von Weihnachten – und jede Rorate-Messe ist zugleich Marienmesse.

Kerzen anlässlich einer Rorate-Messe in Herz Jesu Bad Godesberg
Bild: ©katholisch.de

In die dunkle Dezembernacht leuchten Kerzen hinein: Rorate-Messen sind geprägt vom Bild des Lichts, das ins Dunkel der Nacht kommt.

Damit kommt die Marienmesse aber der eigentlich geplanten liturgischen Adventszeit ins Gehege: Sie ist im Gottesdienst besonders geprägt, für jeden Tag gibt es ein eigenes Messformular mit Texten, die auf Weihnachten vorbereiten; besondere Messen und Heiligengedenktage sollen eigentlich zurücktreten vor der adventlichen Botschaft. Das wäre aber keine katholische Regelung, wenn es davon nicht Ausnahmen gäbe: Nämlich wenn "eine echte Notwendigkeit oder der pastorale Nutzen es erfordern" – und damit kann dann die traditionelle Rorate-Messe, für die das Messbuch ein eigenes Messformular unter dem Titel "Marienmesse am Samstag im Advent" kennt, auch an den anderen Werktagen gefeiert werden.

Am 16. Dezember ist dann aber wirklich Schluss: Während bis dahin ausnahmsweise noch die Gedenktage der Heiligen in der Liturgie begangen werden können, besteht diese Option – und damit auch die Möglichkeit, Rorate-Messen zu feiern – in der Woche vor Weihnachten nicht mehr. Ab dem 17. Dezember sind dann auch wirklich die adventlichen Lesungen und Tagesgebete der Messformulare vom Tag zu verwenden. Aber immerhin: am vierten Adventssonntag dann hört man wieder das "Rorate caeli" als Eingangsvers, wenn auch nicht in einer Rorate-Messe.

Bis dahin brennen aber die Kerzen früh am Morgen oder spät am Abend, und die Gottesdienstgemeinde kann einstimmen in die Hoffnung des Propheten Jesaja: "Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen!"

Von Felix Neumann