Kirchliche Missbrauchsstudie bisher ohne strafrechtliche Folgen
Die im September veröffentlichte Studie zum sexuellen Missbrauch durch katholische Geistliche hat offenbar geringe strafrechtliche Relevanz. In den 27 katholischen Bistümern in Deutschland seien sechs Staatsanwaltschaften der Studie unmittelbar nach Erscheinen nachgegangen, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Donnerstag). Vier Staatsanwaltschaften hätten seit Ende Oktober Ermittlungen gegen unbekannt aufgenommen, 20 Staatsanwaltschaften prüften derzeit Anzeigen. Durchsuchungen oder Beschlagnahmungen habe es bisher nicht gegeben, so die Zeitung.
Experten hatten darauf hingewiesen, dass es in der Studie nicht um die strafrechtliche Verfolgung einzelner konkreter Fälle gegangen sei, sondern vor allem darum, das Ausmaß der Taten und mögliche Verbindungen zu kirchlichen Strukturen zu untersuchen. Da die Erfassung der Daten anonym erfolgte und viele Taten verjährt sind, sei die Studie für konkrete strafrechtliche Auswertungen nur sehr bedingt geeignet.
Unter anderen seien die Staatsanwaltschaften Würzburg, Osnabrück und Bamberg der Studie nachgegangen, heißt es weiter in der Zeitung. Sie hätten sogenannte Vorermittlungen eingeleitet, die Bistümer also aufgefordert, bekannte Fälle anzuzeigen und relevante Unterlagen zu übergeben. Solange kein konkreter "Anfangsverdacht" besteht, sind nur "Vorermittlungen" erlaubt.
Ermittlungsverfahren gegen unbekannt laufen demnach unter anderem in Görlitz, Köln und Passau. Die Staatsanwaltschaft Hildesheim habe ermittelt, das Verfahren aber mangels weiterer Anhaltspunkte wieder eingestellt. Fünf Staatsanwaltschaften, darunter Aachen, Hildesheim und Ingolstadt, hätten darauf verwiesen, Missbrauchsfälle schon vor der Studie strafrechtlich aufgearbeitet zu haben.
Gruppe von Strafrechtlern erstattete Anzeige
Ein förmliches Ermittlungsverfahren, so die Zeitung, habe bislang keine Staatsanwaltschaft eingeleitet. Auf Nachfrage sei erklärt worden, die Studie enthalte keine konkreten Hinweise. Ein förmliches Ermittlungsverfahren darf nur eröffnet werden, wenn "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" den Verdacht einer Straftat begründen.
Ende Oktober hatte eine Gruppe von Strafrechtsprofessoren um den Passauer Holm Putzke Anzeige gegen unbekannt erstattet und sie bei Staatsanwaltschaften im Bezirk jedes Bistums eingereicht. Aus ihrer Sicht überschreiten die vorliegenden Anhaltspunkte "bei weitem" die Schwelle eines Anfangsverdachts.
Kritiker hatten der katholischen Kirche im Zusammenhang mit der Studie vorgeworfen, der Justiz keine Akteneinsicht zu gewähren. Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, und etliche Bistümer haben "volle Kooperationsbereitschaft" mit der Justiz angekündigt. Einige haben den Strafverfolgungsbehörden auch schon Akten zur Verfügung gestellt. (KNA)