Kommt das Schisma zum orthodoxen Weihnachtsfest?
Drei Wochen nach ihrer Gründung an diesem Samstag soll die neue ukrainisch-orthodoxe Landeskirche allen 14 eigenständigen orthodoxen Kirchen gleichgestellt werden. Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., will offenbar deren Oberhaupt am 6. Januar in Istanbul die Bulle (Tomos) über die Verleihung der kirchlichen Eigenständigkeit (Autokephalie) übergeben. Das sagte der Sprecher der ukrainischen Kirche des Kiewer Patriarchats, Erzbischof Jewstratij Sorja, nach Angaben örtlicher Medien (Donnerstagabend). Damit verliere Moskau die kirchliche Hoheit über die Ukraine.
Unbestätigten Medienberichten zufolge nominierte das Kiewer Patriarchat Metropolit Epiphanius (39) als Kandidat für die Leitung der neuen Kirche. Das Oberhaupt soll am Samstag beim Gründungskonzil in der Kiewer Sophienkathedrale gewählt werden.
Bisher gibt es in der Ukraine drei große orthodoxe Kirchen. Eine untersteht dem Moskauer Patriarchat. Die anderen beiden lehnen eine Unterordnung unter Russland strikt ab und haben sich von Moskau bereits 1921 beziehungsweise 1992 abgespalten. Nach Umfragen bekennen sich die meisten orthodoxen Ukrainer zur 1992 gegründeten Kirche des Kiewer Patriarchats.
Als Ehrenoberhaupt aller orthodoxen Christen hat Bartholomaios I. die Bischöfe aller drei Kirchen zu dem Kiewer Konzil eingeladen. Die Mehrheit der Moskau unterstehenden Bischöfe lehnt die Teilnahme aber ab. Sie betrachten die Bischöfe der beiden anderen Kirchen als Schismatiker (Kirchenspalter) und werfen dem Patriarchen von Konstantinopel eine unzulässige Parteinahme für sie vor.
Das Moskauer Patriarchat will die Oberhoheit über die Ukraine behalten. Aus Protest gegen die Gründung der eigenständigen ukrainischen Landeskirche stellte die russische Kirche ihre Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Patriarchat ein. Zudem verbot sie ihren Gläubigen die Teilnahme an Gottesdiensten in dessen Kirchen. Damit droht der orthodoxen Kirche die Spaltung. Die anderen orthodoxen Landeskirchen drängten bislang ohne Erfolg auf eine Einigung zwischen den Patriarchaten von Konstantinopel und Moskau.
Kyrill I. bittet Franziskus und Merkel um Hilfe
Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hat in der Angelegenheit Papst Franziskus und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um Hilfe gebeten. Sie sollen sich für den Schutz der Moskau unterstehenden Geistlichen und Gläubigen in der Ukraine stark machen, so das Kirchenoberhaupt in einem am Freitag in Moskau in Ausschnitten veröffentlichen Schreiben. Entsprechende Briefe richtete Kyrill I. auch an viele weitere Kirchenführer, Politiker und Organisationen. Bischöfe und Priester seiner Kirche würden in der Ukraine massiv verfolgt, klagt der Patriarch. Die Regierung in Kiew müsse die Religionsfreiheit garantieren und dürfe sich nicht in Kirchenangelegenheiten einmischen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte sich mehrfach für eine eigenständige ukrainisch-orthodoxe Kirche ausgesprochen.
Der Konflikt um die ukrainisch-orthodoxe Kirche hat in diesem Jahr seinen Höhepunkt erreicht. Im April beantragte die Kirche des Kiewer Patriarchats bei Bartholomaios I. ihre Eigenständigkeit. Nachdem der Patriarch von Konstantinopel im Herbst die Hoheit über die orthodoxe Kirche in der Ukraine übernommen hatte, brach der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. den Kontakt zu ihm ab. (mal/KNA)