2018 aus Sicht der katholischen Kirche in Deutschland

Ein dunkles Jahr für die Kirche

Veröffentlicht am 30.12.2018 um 13:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Mit voller Wucht kehrte der Missbauchsskandal in diesem Jahr in die Kirche zurück. Doch nicht nur deshalb war 2018 für die Kirche in Deutschland ein schwieriges Jahr. Trotzdem gibt es beim Blick zurück auch ein paar schöne Ereignisse zu würdigen.

  • Teilen:

Wenn man das zu Ende gehende Jahr aus kirchlicher Sicht auf ein Schlüsselereignis reduzieren wollte, käme man am 25. September nicht vorbei. An diesem Tag wurde bei der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda die lange erwartete Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland vorgestellt. Der Missbrauchsskandal, der im Jahr 2010 öffentlich geworden war, kehrte damit mit voller Wucht in die Kirche zurück.

Mindestens 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute fanden die an der Studie beteiligten Forscher in den kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014. Zudem diagnostizierten die Wissenschaftler, dass es in der katholischen Kirche Strukturen gegeben habe und immer noch gebe, die Missbrauch begünstigten. "Dazu gehören der Missbrauch klerikaler Macht, aber auch der Zölibat und der Umgang mit Sexualität, insbesondere mit Homosexualität", erklärte der Mannheimer Psychiater Harald Dreßing, der die Studie im Auftrag der Bischofskonferenz vier Jahre lang koordiniert hatte.

Scham, Erschütterung und ein Maßnahmenpaket

Für die Bischöfe waren die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Studie ein Schock. Nach der Veröffentlichung bekundeten sie öffentlich Scham und Erschütterung und baten um Entschuldigung. Außerdem beschlossen die Oberhirten noch während der Vollversammlung ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Missbrauchs. Unter anderem wollen sie neu über die Zahlung von Anerkennungsleistungen an Opfer nachdenken und zusätzlich Anlaufstellen zu Fragen sexuellen Missbrauchs einrichten. Außerdem sollen Standardverfahren zur Führung von Personalakten sowie überdiözesane Kontrollverfahren für den Umgang mit Missbrauch und die Vorbeugung entwickelt werden.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Die Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz, die am 25. September in Fulda vorgestellt wurde, brachte den Missbrauchsskandal mit voller Wucht zurück in die Kirche.

Auch nach der Vollversammlung blieb der Missbrauch das beherrschende Thema in der Kirche. Auffällig dabei: Vor allem jüngere Bischöfe scheuten angesichts der Erkenntnisse zum Missbrauch in ihren Diözesen nicht davor zurück, die Verantwortung ihrer Amtsvorgänger zu benennen. Neben dem Freiburger Erzbischof Stephan Burger, der seinem Vorgänger Robert Zollitsch Fehler im Umgang mit Missbrauchstaten vorwarf, tat sich hierbei vor allem der neue Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer hervor.

Der 57-Jährige, der erst am 1. September zum Bischof geweiht und in sein Amt eingeführt worden war, warf seinem Vorvorgänger Josef Homeyer im Oktober mit deutlichen Worten Versagen und Vertuschung vor. Homeyer, der von 1983 bis 2004 Bischof von Hildesheim war, habe "fürchterliche Dinge zugedeckt, und das ist eine Katastrophe", so Wilmer. Ebenso deutlich äußerte er sich einen Monat später zu Homeyers Vorgänger Heinrich Maria Janssen. "Viele Menschen in unserem Bistum werden wie ich über den Verdacht erschüttert sein, insbesondere die, die den Bischof als guten Seelsorger erlebt haben", sagte Wilmer bei einer Pressekonferenz Mitte November, bei der das Bistum darüber informierte, dass gegen Janssen, dem bereits 2015 sexueller Missbrauch vorgeworfen worden war, weitere Vorwürfe erhoben worden seien.

Streit um das Allerheiligste

Ungewöhnlich viele Schlagzeilen produzierte auch die zweite Vollversammlung der Bischofskonferenz in diesem Jahr – vor allem wegen eines Beschlusses. Bei ihrem Treffen in Ingolstadt beschlossen die Bischöfe im Frühjahr, konfessionsverschiedenen Ehepartnern künftig die gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie zu ermöglichen. Da es in Deutschland einen hohen Anteil konfessionsverschiedener Ehen gebe, handele es sich bei der Frage nach dem gemeinsamen Kommunionempfang um eine "dringende pastorale Aufgabe", so Kardinal Reinhard Marx. Das entsprechende Dokument sei bei der Vollversammlung "nach intensiven Debatten von einer sehr großen Mehrheit der Bischöfe" angenommen worden.

Wie sich bald nach der Versammlung zeigte, nützte die große Mehrheit jedoch nichts: Unter den Bischöfen entbrannte eine heftige Auseinandersetzung um den Beschluss, sieben Oberhirten wandten sich in dem sogenannten "Kommunionstreit" schließlich sogar an den Vatikan. Nach Interventionen der Glaubenskongregation und des Papstes wurden die Leitlinien schließlich Ende Juni als unverbindliche Orientierungshilfe veröffentlicht. Die Folge: Jeder Bischof entscheidet in seinem Bistum selbst, ob er den Beschluss umsetzt oder nicht.

Linktipp: Mehr Schatten als Licht: Das Jahr aus Sicht der Kirche

2018 war für die katholische Kirche ein schwieriges Jahr – und das nicht nur in Deutschland. Vor allem der Missbrauchsskandal sorgte weltweit immer wieder für Schlagzeilen. Der große Jahresrückblick von katholisch.de zeigt aber: Das Jahr hatte auch Positives zu bieten.

Auch einzelne Bistümer hatten 2018 mit Problemen zu kämpfen. Das Erzbistum Hamburg etwa kündigte im Januar an, wegen hoher Schulden acht seiner 21 katholischen Schulen in Hamburg schließen zu wollen. Dieser "tiefgreifende, schmerzhafte Einschnitt" sei notwendig, um dem Erzbistum und damit auch dem katholischen Schulsystem dauerhaft eine Zukunft zu ermöglichen, erklärte Generalvikar Ansgar Thim. Die Ankündigung stieß nicht nur in Hamburg auf Unverständnis und löste breiten Protest aus.

Das Bistum Eichstätt wiederum musste im Februar bekanntgeben, dass es von einem millionenschweren Finanzskandal erschüttert wird. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Finanzkammer der Diözese soll mit einem Kompagnon durch ungesicherte Kredite auf dem US-Immobilienmarkt einen Schaden von bis zu 48,2 Millionen Euro verursacht haben. Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke kündigte an, "alles auf den Tisch zu legen, ohne Wenn und Aber"; im Oktober beklagte er sich mit Blick auf die Aufarbeitung jedoch über mangelnde Unterstützung in seinem Bistum. Über die Diözese hinaus löste der Skandal erneut eine Debatte über den Umgang der Kirche mit Geld aus.

Trauer um Kardinal Karl Lehmann

Auf der Negativliste der kirchlichen Jahresbilanz steht darüber hinaus die Debatte um den Jesuitenpater Ansgar Wucherpfennig. Im Oktober wurde bekannt, dass der Vatikan dem Rektor der Theologisch-Philosophischen Hochschule Sankt Georgen trotz seiner Wiederwahl das "Nihil obstat", die notwendige Unbedenklichkeitserklärung, für eine weitere Amtszeit verweigert hatte. Wucherpfennig hatte sich im Jahr 2016 in einem Interview positiv zur Homosexualität und zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare geäußert – im Vatikan war dies offensichtlich auf wenig Gegenliebe gestoßen. Es folgte eine aufgeregte Debatte, in der sich zahlreiche Bischöfe und Theologen sowie der Jesuitenorden an Wucherpfennigs Seite stellten und das Vorgehen des Vatikan scharf kritisierten. Der Druck zeigte offenbar Wirkung: Am 15. November lenkte die Kurie ein und erteilte doch noch das "Nihil obstat".

Bundesweite Trauer löste am 11. März der Tod von Kardinal Karl Lehmann aus. Der emeritierte Bischof von Mainz und langjährige Bischofskonferenz-Vorsitzende starb ein halbes Jahr nach einem Schlaganfall und einer Hirnblutung im Alter von 81 Jahren. Rund drei Jahrzehnte lang war Lehmann einer der bekanntesten und beliebtesten Köpfe der katholischen Kirche in Deutschland. "Das Bistum Mainz trauert um einen weit über die Kirche hinaus hoch angesehenen Theologen und Seelsorger, einen leidenschaftlichen Brückenbauer zwischen den Konfessionen und einen Zeugen des Glaubens inmitten der Gesellschaft", erklärte Lehmanns Nachfolger, Bischof Peter Kohlgraf, nach dessen Tod.

Bild: ©katholisch.de/KNA

Wurden 2018 zu Diözesanbischöfen in Deutschland ernannt: Franz Jung (Würzburg), Heiner Wilmer (Hildesheim) und Michael Gerber (Fulda, v.l.).

Freude lösten dagegen die neuen Bischöfe aus, die in diesem Jahr auf deutsche Bischofsstühle gewählt wurden und den Generationswechsel in der Bischofskonferenz beschleunigten. Neben Heiner Wilmer in Hildesheim bekamen auch die Bistümer Würzburg und – kurz vor Weihnachten – Fulda neue Oberhirten. In Würzburg übernahm der bisherige Speyerer Generalvikar Franz Jung den Bischofsstuhl, in Fulda wurde der Freiburger Weihbischof Michael Gerber zum Oberhirten ernannt. Gerber, der erst im neuen Jahr in sein Amt eingeführt wird, folgt Heinz Josef Algermissen nach, der nach Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren im Juni nach 17 Jahren als Fuldaer Bischof zurückgetreten war.

Katholikentag auf Friedenssuche und ein neues Kloster

Ein freudiges Ereignis war auch der Katholikentag in Münster. Dabei kamen fünf Tage lang rund 90.000 Menschen zusammen, um unter dem Leitwort "Suche Frieden" ein buntes Fest des Glaubens zu feiern. In der ganzen Stadt fanden Gottesdienste, Podiumsdiskussionen, Feste, Konzerte und andere Veranstaltungen statt – und das getreu dem Leitwort weitgehend friedlich. Nur bei einer schon im Vorfeld umstrittenen Diskussionsrunde mit dem AfD-Politiker Volker Münz kam es kurzzeitig zu Tumulten.

Für große Freude in diesem Jahr sorgte schließlich auch die Neugründung von Kloster Neuzelle. Am 2. September wurde das Zisterzienserkloster in dem Ort an der deutsch-polnischen Grenze nach rund 200 Jahren Unterbrechung unter großer öffentlicher Anteilnahme wiedererrichtet. Sechs Mönche aus dem Stift Heiligenkreuz in Österreich wagen in einer Zeit, in der zahlreiche Klöster in Deutschland wegen Nachwuchsmangels ihre Pforten schließen müssen, in der ostdeutschen Diaspora das Abenteuer einer Klostergründung. Ein starkes Zeichen der Hoffnung in einem für die deutsche Kirche ansonsten schwierigen Jahr.

Von Steffen Zimmermann