Der Senat der Kirche wird internationaler
Es ist ein Konsistorium der Überraschungen: Zum zweiten Mal in diesem Jahr ruft Papst Benedikt XVI. am Samstag das Kardinalskollegium der katholischen Kirche zusammen und erweitert es um neue Mitglieder. Und zum ersten Mal seit erdenklichen Zeiten ist unter den sechs neuen Kardinälen kein Italiener, kein Europäer und auch kein amtierender Kurienchef.
Nachdem beim letzten Konsistorium im Februar die Kurialen dominierten, wollte Benedikt XVI. diesmal offenkundig andere Akzente setzen. Damals waren unter den 18 neuen Papstwählern zehn Kurienvertreter und nur acht Oberhirten von großen Diözesen der Weltkirche; Sieben von ihnen kamen aus Italien aber keiner aus Afrika. Jetzt ziehen je ein Asiate, ein Lateinamerikaner und ein Afrikaner in das Kardinalskollegium ein. Außerdem erhalten zwei Vertreter der Ostkirchen den Kardinalspurpur - ein deutliches Signal für Kirchen in bedrängter Situation. Zudem erhebt Benedikt XVI. den langjährigen Präfekten des Päpstlichen Hauses - den US-Amerikaner James Michael Harvey - in den Kardinalsstand.
Das bedeutet freilich, dass die in letzter Zeit ernannten Kurienchefs diesmal noch nicht den Kardinalspurpur erhalten. Das gilt für den Präfekten der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, ebenso wie für den Bibliothekar und Archivar der Kirche, Jean-Louis Brugues. Betroffen sind weiter die Präsidenten von Familien- und Neuevangelisierungsrat, Vincenzo Paglia und Rino Fisichella.
Dafür ziehen diesmal renommierte Vertreter der Weltkirche in den Kirchensenat ein. Nicht überraschend gehört dazu Luis Antonio Tagle von Manila. Immerhin haben die Philippinen nach Brasilien und Mexiko die dritthöchste Katholikenzahl (75 Millionen) weltweit. - Unter den neuen Kardinälen ist zudem John Olorunfemi Onaiyekan, einer der bedeutendsten Kirchenführer Afrikas. Er leitet die Hauptstadtdiözese von Nigeria (Abuja), dem Land mit der zweitgrößten Katholikenzahl Afrikas. Zudem war er lange Präsident des kontinentalen Bischofsrates SECAM.
"Nur" sechs neue
Mit Ruben Salazar Gomez bekommt schließlich auch Kolumbien wieder einen Kardinal, der an einer Papstwahl teilnehmen könnte. Aus den Ostkirchen nimmt der Papst den maronitischen Patriarchen Bechara Rai, soeben sein Gastgeber bei der Libanonreise, und den syromalankarischen Großerzbischof Baselios Cleemis Thottunkal in sein wichtigstes Beratergremium auf.
Mit "nur" sechs neuen Kardinälen hat Benedikt XVI. diesmal ein kleines Konsistorium einberufen. Er hält sich damit strikt an die Obergrenze von 120 papstwahlberechtigten Kardinälen. Entsprechend lang ist die Liste derer, die erst einmal nicht mit dem Kardinalspurpur ausgezeichnet werden. Weder der Oberhirte von Turin oder der Patriarch von Venedig, noch die Bischöfe von Rio de Janeiro, Santiago de Chile, London, Tokio, Los Angeles oder Brüssel ziehen diesmal ins Kardinalskollegium ein. Dass kein Deutscher zu den Erwählten gehört, hängt wohl auch damit zusammen, dass beim letzten Mal gleich zwei geehrt wurden: Rainer Maria Woelki von Berlin und der aus Köln stammende Theologe Karl Josef Becker.
Neben der Aufnahme neuer Mitglieder dient ein Konsistorium stets auch der Beratung und dem Meinungsaustausch. Gesprächsstoff dürfte es diesmal reichlich geben, rund um die Einigungsbemühungen mit den Piusbrüdern, aber auch um Vatileaks.
Das Konsistorium zieht im Vatikan einige Personalveränderungen nach sich. Der designierte Kardinal Harvey erhält das würdevolle Amt eines Erzpriesters der Basilika Sankt Paul vor den Mauern. Er gibt damit nach 14 Jahren endgültig sein Amt als Präfekt des Päpstlichen Hauses ab, das er bis in diese Tage hinein wahrnimmt.
Für ihn muss ein Nachfolger bestimmt werden - möglicherweise wieder ein Vatikandiplomat mit langjähriger Erfahrung im Staatssekretariat. Immerhin hat der Präfekt eine Schlüsselfunktion etwa bei Staatsbesuchen im Vatikan. Und in den kommenden Wochen werden mehrere hochrangige Gäste beim Papst erwartet, darunter am 6. Dezember der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck.
Von Johannes Schidelko