Historiker Fried begibt sich auf Glatteis der Bibel-Auslegung

Kein Tod am Kreuz? Warum die Scheintod-These nicht trägt

Veröffentlicht am 31.01.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Jesus hat überlebt und ist nach Osten geflohen. Die Geschichte von der Auferstehung war nur Tarnung. Das jedenfalls behauptet der renommierte Historiker Johannes Fried. "Alles Unsinn", hält der Theologe Söding dagegen.

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Dieser Text werde ihm "endlosen Widerspruch und Feindschaften" einbringen. Schon im Vorwort seines neuen Buches offenbart der renommierte Mittelalterhistoriker Johannes Fried (76) Bauchschmerzen ob der Kühnheit seiner Thesen. Diese Bauchschmerzen sind berechtigt. Denn der Experte für mittelalterliche Geschichte hat sich auf das Glatteis der Bibel-Exegese begeben - und ist dabei krachend auf den Hosenboden gefallen.

Fried, der mit seiner Biografie über Karl den Großen und Büchern zu apokalyptischem Denken und Leben im Mittelalter ein breites Publikum gefunden hat, gibt gern den Legenden-Zertrümmerer. So zweifelte er die Existenz des Mönchsvaters Benedikt von Nursia an und löste Kontroversen über den berühmten Gang nach Canossa aus.

Todesähnliche Kohlendioxidnarkose statt Tod am Kreuz?

In "Kein Tod auf Golgatha" behauptet der Historiker, der in Köln und Frankfurt am Main gelehrt hat, Jesus sei nicht am Kreuz gestorben, sondern nur scheintot gewesen. Er habe bei den Folterungen eine Lungenverletzung erlitten und sei in eine todesähnliche Kohlendioxidnarkose gefallen, beruft sich Fried auf das Johannes-Evangelium und verbindet es mit neuem medizinischen Wissen zur CO2-Narkose.

Der Historiker verweist darauf, dass Jesus laut Evangelien ungewöhnlich schnell gestorben sei. Ausgerechnet der Lanzenstich eines Kriegsknechts habe dem Mann aus Nazareth aber das Leben gerettet. Joseph von Arimathäa und Nikodemus hätten dafür gesorgt, dass Jesus gesund gepflegt wurde und in den Osten fliehen konnte. Währenddessen hätten die Apostel die Lehre vom auferstandenen Gottessohn verbreitet.

Herrad von Landsberg, Hortus Deliciarum
Bild: ©Herrad von Landsberg, Hortus Deliciarum (Dnalor_01, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0) (Archivbild)

Kreuzigungsszene

Eine steile These - die im angesehenen Verlag C.H.Beck publiziert wird. Eine Verschwörungsgeschichte, die durch ständige Wiederholungen und schwer verdauliche Satzkonstruktionen auch nicht besser wird. Eine Geschichte im übrigen, die nicht neu ist. Esoterisch angehauchte Romane haben mehrfach über einen scheintoten Jesus fabuliert. Auch Goethe und der Religionsphilosoph Friedrich Schleiermacher waren Anhänger dieser Theorie.

Selektiver Umgang mit den Quellen

Nach den Worten des Bochumer katholischen Theologen und Experten für die Interpretation des Neuen Testaments, Thomas Söding, spiegelt sich in diesen Auffassungen ein von Anfang an zu beobachtendes Unbehagen an der biblischen Überlieferung: "Es kann doch nicht sein, dass der Sohn Gottes so elendiglich krepiert ist", gibt er diese Haltung wieder.

Zweifel an der Auferstehung gab es von Anfang an: Die Evangelisten berichten über Gerüchte, der Leichnam Jesu sei aus dem Grab gestohlen worden. Moderne Kritiker bezweifeln, dass Jesus überhaupt gelebt habe. Andere glauben, dass die Geschichte Jesu mit dem Kreuzestod endete und der Auferstehungsglaube nur die Enttäuschung überdecken sollte. Das Zeitalter der Aufklärung erklärte Wunder für unmöglich: Da bot sich die Theorie vom Scheintod als rationales Erklärungsmuster an.

Der katholische Theologe Thomas Söding ist Professor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum.
Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Archivbild)

Der Neutestamentler Thomas Söding hält die Scheintod-These für "Nonsense"

Dass allerdings ein so renommierter Historiker wie Fried so selektiv mit seinen Quellen umgeht, die theologischen Deutungen der Evangelisten nach Belieben ausklammert oder nutzt und dann eine spekulative Indizienkette herstellt, verwundert dann doch. Söding bezeichnet Frieds Argumentation im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) schlicht als "Nonsens" und als "luftige Konstruktion, die keiner wissenschaftlichen Prüfung standhält." Alle biblischen Quellen, aber auch andere antike Berichte gingen vom Tod des jüdischen Rabbis aus. Dass Jesus die brutale Folter von Geißelung und Kreuzigung überlebt haben sollte, sei zudem völlig unvorstellbar.

Johannes unter den Evangelisten als historische Quelle am wenigsten geeignet

Söding widerspricht auch Frieds Behauptung, das Johannes-Evangelium, das als einziges den Bericht von der Lanze enthält, sei mit seinen Quellen weit näher an den historischen Ereignissen als etwa das Markus-Evangelium. Der Autor des Johannes-Evangeliums verfüge zwar über gutes Wissen, was römisches Prozessrecht und die Örtlichkeiten in Jerusalem angehe. Der überwältigende Teil der Forschung gehe aber weiter davon aus, dass Markus-, Lukas- und Matthäus-Evangelium deutlich bessere historische Quellen seien.

Letztlich lassen sich Frieds Spekulationen nicht beweisen oder widerlegen. Die Evangelien sind Glaubenszeugnisse, keine Protokolle historischer Fakten.

Von Christoph Arens (KNA)