"In einer Zeit, in der die Ehe an Strahlkraft verliert"

Schönborn: Ehe-Wunsch von Homosexuellen "berührend"

Veröffentlicht am 01.02.2019 um 12:08 Uhr – Lesedauer: 
Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien, bei der Pressekonferenz zur Familiensynode am 16. Oktober 2014 im Vatikan.
Bild: © KNA

Hamburg ‐ Die Ehe sei für Mann und Frau geschaffen – dennoch respektiert der österreichische Kardinal Christoph Schönborn den Heirats-Wunsch Homosexueller. Er äußert sich zudem zum Zölibat – und dämpft die Erwartungen zum anstehenden Missbrauchstreffen in Rom.

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Der österreichische Kardinal Christoph Schönborn respektiert den Wunsch vieler Homosexueller, sich staatlich trauen zu lassen. "Persönlich finde ich es berührend, dass sich in einer Zeit, in der die Ehe an Strahlkraft verliert, gleichgeschlechtlich empfindende und lebende Paare diese Höchstform der Partnerschaft wünschen", sagte der Wiener Erzbischof im Interview mit dem Magazin "Stern" (Donnerstag). Seine Überzeugung sei dennoch, dass die Ehe "für Mann und Frau ist – jene Beziehung aus der neues Leben entstehen kann".

In der Debatte um den Pflichtzölibat für Priester schloss der Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz dessen Abschaffung nicht aus. Er habe keine eindeutige Antwort auf diese Frage, so Schönborn. Allerdings betone Jesus in seinen Reden, dass man die Tradition nicht höher stellen solle als die Nächstenliebe.

Missbrauchsgipfel: "Man darf keine Wunder erwarten"

Für das weltweite Bischofstreffen zum Missbrauchsskandal im Februar im Vatikan dämpfte das Mitglied mehrerer Kurienbehörden die Erwartungen. "Man darf keine Wunder erwarten", sagte Schönborn. "Es wird ein schmerzlicher und langer Prozess." Dass Papst Franziskus darauf setze, einen gemeinsamen Weg zu finden, bezeichnete der Wiener Erzbischof jedoch als klug. Wichtigste Lektion für die Kirche aus dem Missbrauchsskandal sei, dass sie für die Opfer Empathie empfinden müsse. "Die Ehre eines Kardinals darf nie über dem Schutz der Betroffenen stehen. Das muss die Leitlinie sein."

Dass er seinen Amtsvorgänger, Kardinal Hans Hermann Groer (1919-2003), zunächst gegen Missbrauchsvorwürfe verteidigt hatte, nannte Schönborn naiv: "1995 haben uns die Ereignisse überrumpelt, wir waren hilflos. Es dauerte viel zu lange, bis wir erkannten, dass die schonungslose Wahrheit der einzige Weg ist." Groer, der von 1986 bis 1995 Erzbischof von Wien war, wurde des schweren sexuellen Missbrauchs beschuldigt, was zu seinem Rücktritt führte.

In der Flüchtlingsfrage bereite es ihm Sorge, dass in der aktuellen Debatte der humanitäre Aspekt ganz in den Hintergrund trete, so Schönborn. "Wir müssen daran erinnern, dass es sich um Menschen handelt." Die meisten hätten ihre Heimat nicht freiwillig verlassen. "Aber ich stimme mit Bundeskanzler Sebastian Kurz überein, dass es eines Ordnungsrahmens bedarf." (mal/KNA)