Kohlgraf: Abkehr von Pflichtzölibat auf nationaler Ebene denkbar
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf möchte auf nationaler Ebene über eine Abschaffung des Pflichtzölibats nachdenken. "Weltweit ist eine Abkehr vom Pflichtzölibat sicher nicht mehrheitsfähig", sagte Kohlgraf der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Donnerstag). Allerdings sei es möglich, diese Frage den nationalen Bischofskonferenzen zu überlassen. Schließlich habe Papst Franziskus die Entscheidungsbefugnisse der Bischofskonferenzen in seinem Pontifikat stets betont und gestärkt.
Möglicherweise gehöre die Verpflichtung zur Ehelosigkeit als einzigem Weg für Priester in zehn Jahren der Vergangenheit an, so Kohlgraf. Er selbst "würde es begrüßen, wenn es unterschiedliche Zugangswege zum Priesteramt gibt". Auch theologisch spricht in seinen Augen nichts dagegen. Gleichzeitig warnt der Bischof aber davor, den Zölibat für den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche verantwortlich zu machen. "Der Zusammenhang zwischen Zölibat und sexuellem Missbrauch ist komplex und wird selbst unter Experten kontrovers diskutiert", so der Bischof. Sicherlich sei es ein Trugschluss, anzunehmen, ohne Zölibat gäbe es keinen Missbrauch in der Kirche.
Diskussion beim Ständigen Rat in Würzburg
Kohlgraf glaubt deshalb auch nicht, dass der Zölibat ein Thema beim bevorstehenden Treffen der Bischöfe mit dem Papst zum Thema Missbrauch im Vatikan sein wird. Es würden wahrscheinlich eher Fragen der Prävention sowie die Analyse der strukturellen Ursachen des Missbrauchs im Vordergrund stehen. Generell glaubt er, "dass das Treffen die hochgesteckten Erwartungen in Deutschland nicht erfüllen wird und auch nicht erfüllen kann".
In dem Interview äußerte sich Kohlgraf auch zur jüngsten Sitzung des Ständigen Rates in Würzburg, an denen regelmäßig alle deutschen Diözesanbischöfe teilnehmen. Er dementiere nicht, dass er dort eine deutsche Missbrauchssynode gefordert habe, sagte der Bischof auf Nachfrage. Laut "Christ und Welt" ist dieser Vorschlag allerdings am Widerstand einiger Bischöfe gescheitert. Kohlgraf selbst gestand, enttäuscht zu sein. "Ich glaube, dass der Begriff der Synode einfach ein wenig zu groß für manche war." Es sei aber Konsens unter allen Bischöfen, dass die Kirche sich öffnen und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen müsse.
Der Ständige Rat hatte Ende Januar beschlossen, bei der Aufarbeitung des Missbrauchs auf die stärkere Mitwirkung von Laienvertretern und staatlichen Experten zu setzen. Darüber hinaus hatten die Bischöfe Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit einzelnen Themenfeldern wie der priesterlichen Lebensform, Macht und Partizipation sowie der Sexualmoral beschäftigen sollen. (bod)