Wer kauft das sächsische "Castel Gandolfo"?
Auf den ersten Blick klingt das Angebot wie ein lukratives Schnäppchen. Für ein Mindestgebot von lediglich 150.000 Euro soll am 5. März das "denkmalgeschützte Herrenhaus eines ehemaligen Ritterguts" in der sächsischen Kleinstadt Schirgiswalde-Kirschau versteigert werden. Im Preis inklusive: Das im Barockstil errichtete Gebäude mit rund 600 Quadratmetern Nutzfläche und wertvollen französischen Bildtapeten aus dem frühen 19. Jahrhundert sowie eine 10.800 Quadratmeter große Parkanlage mit hohen Bäumen und einer unter Denkmalschutz stehenden Marienstatue.
Das Problem: Das Herrenhaus in dem kleinen Ort südlich von Bautzen ist in einem "insgesamt sanierungsbedürftigen Zustand", wie es im Werbeprospekt der zuständigen Sächsischen Grundstücksauktionen AG vieldeutig heißt. An zahlreichen Stellen des Hauses bröckelt der Putz, an den Holzfenstern schlägt die Farbe Blasen. Außerdem gibt es "Hinweise auf biotische Bewüchse". Sprich: Die Mauern sind teilweise feucht. Für Günter Thielicke, der bei dem Dresdner Unternehmen für die Versteigerung der Immobilie zuständig ist, ist deshalb klar: "Das Objekt braucht jemanden, der eine gewisse Zuneigung dazu entwickelt".
Noch gehört das Herrenhaus dem Dresdner Domkapitel
Auf einen solchen Käufer hofft auch das Bistum Dresden-Meißen. Denn das Domkapitel der Diözese ist der Besitzer des auch als "Piushaus" bekannten Gebäudes. Da es "leider keine geeignete kirchliche Verwendung" für das Haus gebe, die die notwendige Sanierung rechtfertigen würde, habe sich das Domkapitel zum Verkauf des Objekts entschlossen, sagte Domdekan Andreas Kutschke auf Anfrage von katholisch.de. "Wir würden uns freuen, wenn das traditionsreiche Gebäude eine sinnvolle und gute neue Nutzung findet", so der 45-jährige Geistliche weiter.
Traditionsreich ist das um das Jahr 1700 errichtete Herrenhaus in der Tat – vor allem aus kirchlicher Perspektive: Immerhin diente das Gebäude Bischöfen und Domdekanen aus Bautzen und Meißen lange Zeit als Sommerresidenz. Das allerdings ist schon viele Jahrzehnte her. Der letzte Bischof, der das "sächsische Castel Gandolfo" als Residenz nutzte, war Petrus Legge, der von 1932 bis 1951 als Meißener Oberhirte amtierte. Danach zog zunächst eine Kirchenmusikschule in das Herrenhaus, ehe 1972 ein Kindergarten die Räumlichkeiten übernahm. Seit der im Jahr 2006 ausgezogen ist, wartet das Gebäude auf einen neuen Nutzer.
Wer das seien und wie das herrschaftliche Haus in Zukunft genutzt werden könnte, ist kurz vor der geplanten Versteigerung noch unklar. Laut Günter Thielicke sind jedoch verschiedene Optionen denkbar – ob privat oder gewerblich. "Man kann das Haus nach entsprechenden Umbauten als Wohnhaus nutzen. Das Gebäude könnte aber auch eine Jugendherberge oder ein Altenheim beherbergen", so der Immobilienexperte.
Die jetzt geplante Versteigerung ist bereits der zweite Versuch, das Objekt meistbietend zu verkaufen. Bei einer ersten Auktion im August vergangenen Jahres hatte sich kein Käufer für das Haus erwärmen können; damals lag das Mindestgebot aber auch noch bei 195.000 Euro. Auch wenn der Preis diesmal geringer ist: Problematisch bleibt, dass der künftige Besitzer bei der notwendigen Sanierung und der künftigen Nutzung zahlreiche Auflagen des Denkmalschutzes beachten muss – ein Umstand, der für den geplanten Verkauf eher hinderlich ist.
Die hohen Auflagen hängen vor allem mit den französischen Bildtapeten zusammen, mit denen gleich mehrere Räume des Herrenhauses verkleidet sind. Die Tapeten, die von der bekannten Manufaktur "Zuber & Cie" im elsässischen Rixheim hergestellt wurden, müssen zwingend erhalten bleiben, so der Denkmalschutz. Das verwundert nicht: Immerhin basieren sie meist auf gravierten Druckstöcken aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Damit sind sie historisch wertvoll und bei wohlhabenden und prominenten Kunden in aller Welt bis heute stark gefragt.
"Derzeit zehn bis zwölf Interessenten für das Objekt"
Zu den Kunden des Unternehmens zählten in der Vergangenheit unter anderem Popstar Madonna und das Weiße Haus. Hier, im Amtssitz des US-Präsidenten, ließ John F. Kennedys Frau Jacqueline 1961 den "Diplomatic Reception Room" mit der 1834 entworfenen Panoramatapete "Vue de l'Amérique Nord" von "Zuber & Cie" dekorieren. Eine andere historische Tapete der Firma, die aus 32 Bahnen bestehende und etwa 15 Meter lange Panoramaszene "Les guerres d’indépendence", erzielte vor einigen Jahren auf einer Auktion einen Preis von 40.500 US-Dollar und gilt seither als teuerste je verkaufte Tapete der Welt.
Trotz der großen denkmalpflegerischen Herausforderung ist Günter Thielicke optimistisch, dass die Versteigerung diesmal erfolgreich über die Bühne geht. "Wir haben derzeit zehn bis zwölf Interessenten für das Objekt", sagte er im Gespräch mit katholisch.de. Bei einer geplanten Besichtigung des Hauses könnten sich zudem mögliche weitere Kaufinteressenten einen Eindruck verschaffen. Vielleicht eröffnet sich für das "Piushaus" am 5. März also tatsächlich eine neue Zukunft – dann allerdings ohne sommerfrischende Bischöfe und Domdekane.