Bischof Neymeyr: Katholiken haben falsche Vorstellung vom Judentum
Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr wünscht sich mehr öffentliches Interesse am christlich-jüdischen Dialog. "Es ist noch viel zu tun, um bekannt zu machen, wie wir heute als katholische Kirche die Beziehungen zum Judentum gestalten und wie viele Missverständnisse wir ausgeräumt haben", sagte der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die religiösen Beziehungen zum Judentum am Montagabend in Erfurt: "Da haben wir in der Kirche noch einen weiten Weg vor uns - auch in der Verkündigung und Katechese, denn sehr viele Katholiken haben noch völlig falsche Vorstellungen."
Die Annäherung und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Christentum und Judentum, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen seien, hätten lange Zeit nur Experten wahrgenommen, so Neymeyr. "Dies ändert sich nun langsam." Der Bischof verurteilte zugleich jede Form von Antisemitismus und Antijudaismus: "Wir wollen auch alles ausräumen, wo im Christentum noch Judenfeindschaft mitschwingt." Eine der christlichen Wurzeln des Antisemitismus sei der Glaube, dass Gott den Bund mit Israel aufgekündigt und einen neuen Bund mit der Kirche geschlossen habe. "Aber das ist nicht die lehramtliche Überzeugung der katholischen Kirche", betonte der Bischof.
Judenmission?
Er erläuterte weiter, der göttliche Bund mit Israel bestehe weiter und "deshalb kann es auch keine Judenmissionierung aus dem Christentum heraus geben und diese ist auch nicht Ziel unseres Dialogs". Neymeyr äußerte den Wunsch nach einem noch intensiveren Austausch mit der jüdischen Gemeinschaft, der auch theologische Fragen mit einschließt. Dabei sei es wichtig, gerade auch den unterschiedlichen Ansichten Raum zu geben. Neymeyr äußerte sich während der Veranstaltung "Kirche und Judentum" des Friedrich-Dessauer-Kreises im Bildungswerk des Bistums Erfurt.
Auch Thüringens Landesrabbiner Alexander Nachama sprach von einem "beispiellosem Wandel" in den christlich-jüdischen Beziehungen: "Nur im Dialog redet man miteinander und kann Missverständnisse ausräumen. Aber solch ein Dialog ist nur auf Augenhöhe möglich und nicht, wenn man den anderen Glauben teilweise als defizitär betrachtet", sagte Nachama unter Verweis auf den Streit um die sogenannte katholische Karfreitags-Fürbitte für die Juden. Diese hatte der damalige Papst Benedikt XVI. 2008 in der lateinischen Fassung ändern lassen und damit den Vorwurf auf sich gezogen, eine Judenmission zu billigen. "Ich hoffe, dass es im Christentum künftig nicht mehr solche Gebete geben wird", unterstrich Nachama.
Zuletzt hatte ein Aufsatz Benedikts zum Verhältnis der beiden Religionen in der internationalen Theologiezeitschrift "Communio" für öffentliche Diskussionen gesorgt. Kritiker warfen ihm unter anderem vor, den "nie gekündigten Bund" zwischen Gott und dem Volk Israels zu relativieren. Der emeritierte Papst wehrte sich jedoch energisch gegen den Vorwurf, er habe sich für die Judenmission ausgesprochen und die Grundpfeiler des jüdisch-christlichen Dialogs infrage gestellt. (bod/KNA)