Programm gegen die Männerdominanz

Immer mehr Frauen an Schaltstellen der katholischen Kirche

Veröffentlicht am 09.03.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Frauen an die Macht - gerade seit dem Missbrauchsskandal wird dieser Ruf in der katholischen Kirche immer lauter. Zwar bleibt ihnen das Weiheamt versperrt. Dennoch kennt auch die Kirche Frauen in Führungspositionen.

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Unüberhörbar sind die Rufe, das kirchliche Amt auch für Frauen zu öffnen und das Männerbündische zurückzudrängen. Dem stehen aber eine jahrhundertealte Tradition und das päpstliche Nein zur Diakonen-, Priester- oder gar Bischofsweihe für Frauen entgegen. Jenseits dieser Debatte versuchen die deutschen Bischöfe, Frauen verstärkt in kirchliche Führungspositionen zu bringen. Das Thema ist auch bei ihrem Frühjahrstreffen kommende Woche in Lingen präsent.

Ob bischöfliche Verwaltungen, Caritasverbände oder theologische Hochschulen - teils schon länger und in den vergangenen Jahren zunehmend besetzen Frauen Schaltstellen der Bistümer. Zu den ersten Frauen an führender Position gehört Romana Barein, die Kardinal Joachim Meisner 1983 als Bischof von Berlin zur Dezernentin für Schule, Hochschule und Erziehung ernannte. 1990 machte der damalige Erfurter Bischof Joachim Wanke Helga Mondschein zur Leiterin der neu gegründeten Schulabteilung. Zwei Jahre später erfolgte die Berufung von Therese Wieland zur Hauptabteilungsleiterin der Diözese Rottenburg-Stuttgart durch den früheren Bischof Walter Kasper. Die Ordinariatsrätin war unter anderem für Alten-, Familienarbeit und Erwachsenenbildung zuständig. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode vertraute 2002 das wichtige Seelsorgeamt seines Bistums der Theologin Daniela Engelhard an. Bode leitet die Frauen-Kommission der Bischofskonferenz.

Bewegung in vielen Diözesen

Auch in anderen Bistümern wirken Frauen inzwischen im bischöflichen Kabinett mit: Im von Kardinal Reinhard Marx geführten Erzbistum München und Freising ist die Hälfte der acht Ressorts in der Diözesanverwaltung mit Frauen im Rang einer Ordinariatsdirektorin besetzt. Bis Jahresende soll zudem ein Laie als Amtschef das gesamte Ordinariat leiten, und das kann auch eine Frau sein. Der Großen Leitungskonferenz im Bistum Trier gehören fünf Direktorinnen an - darunter bereits seit zehn Jahren die für Finanzen zuständige Ex-Bankerin Kirsten Straus. Im Generalvikariat der Erzdiözese Köln stehen die beiden Hauptabteilungen für Seelsorge sowie für Schule und Hochschule unter weiblicher Führung. Kardinal Rainer Maria Woelki hat eine persönliche Referentin eingestellt - wie Marx, Passaus Bischof Stefan Oster und der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer.

Daniela Engelhard aus dem Bistum Osnabrück war 2002 die erste Seelsorgeamtsleiterin in einer deutschen Diözese.
Bild: ©Bistum Osnabrück (Archivbild)

Daniela Engelhard aus dem Bistum Osnabrück war 2002 die erste Seelsorgeamtsleiterin in einer deutschen Diözese.

Ähnliche Bewegungen gibt es in den anderen Diözesen. So hat vor wenigen Wochen im Bistum Aachen eine Personalchefin ihre Arbeit aufgenommen. Im Erzbistum Berlin und im Bistum Essen führen Frauen die Caritasverbände. Wie am Freiburger Münster soll demnächst auch in Speyer die Dombauhütte in Expertinnenhand liegen. In Passau, Paderborn, Magdeburg und Trier leiten Frauen die bischöflichen Pressestellen.

Kirche im Mentoring

Bei ihrem Frühjahrstreffen 2013 in Trier hatten die Bischöfe beschlossen, mehr Frauen für kirchliche Leitungspositionen zu gewinnen. Eine Statistik der Bischofskonferenz belegt: Zwischen 2005 und 2012 stieg der Frauenanteil in oberen Leitungsebenen von 5 auf 12,7 Prozent und in der mittleren Ebene von 13 auf 19,2 Prozent. Aktuelle Zahlen sollen nun in Lingen vorgelegt werden. Man darf davon ausgehen, dass der Frauenanteil in den kirchlichen Chefetagen weiter gestiegen ist.

Eva-Maria Düring und Andrea Gersch im Porträt.
Bild: ©Mark Hammans/Hildegardis-Verein (Archivbild)

Haben als Tandem am Mentoring-Programm teilgenommen, das mehr Frauen in kirchliche Führungspositionen bringen will: Mentee Eva-Maria Düring (links) und Mentorin Andrea Gersch.

Dazu beigetragen haben mag auch ein Förderprogramm, das die Bischofskonferenz mit dem Hildegardis-Verein in Bonn aufgelegt hat. Das Projekt "Kirche im Mentoring: Frauen steigen auf" richtet sich an führungsinteressierte Frauen, die in Begleitung einer Mentorin oder eines Mentors sowie bei zentralen Veranstaltungen Leitungskompetenzen erwerben. An der Pilotphase 2016/2017 nahmen 40 Frauen teil. Für den zweiten Durchgang haben 14 Bistümer und das katholische Hilfswerk Misereor rund 60 Teilnehmerinnen entsandt.

Nachfrage übertraf Erwartungen

"Die enorme Nachfrage in den Bistümern hat unsere Erwartungen weit übertroffen", bilanziert die Vorsitzende des Hildegardis-Vereins, Gisela Muschiol. Die individuelle Karriereförderung ist nach den Worten der Bonner Kirchengeschichtsprofessorin sehr effektiv - "nicht nur für die Frauen selbst, sondern auch für ihren Arbeitgeber, die katholische Kirche".

Ähnlich sieht es Kardinal Marx. "Als Kirche und Gesellschaft haben wir nicht immer so gehandelt, wie es die Bibel sagt und Gott will: dass Frauen und Männer einander auf Augenhöhe begegnen", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz vor zwei Jahren zum Abschluss des ersten Mentoring-Programms. "Hier brauchen wir einen neuen Aufbruch, auch in unserer Kirche."

9.3.2019, 16 Uhr: sachliche Korrektur im zweiten Absatz: Vor Therese Wieland gab es bereits andere Ordinariatsrätinnen in deutschen Bistümern

Von Andreas Otto (KNA)