Konfessionsverschiedene Ehen: Menschen das schlechte Gewissen nehmen
Das seien auch Menschen - so die Reaktion der Mutter von Karl-Heinz Wiemann, als er ihr vor mehr als 30 Jahren eröffnete, dass seine Freundin evangelisch ist. So erzählt Wiemann es heute. Damals wohnte er noch im Ruhrgebiet, in Gelsenkirchen, seine Eltern waren katholisch, seine Tanten, Onkel, die ganze Nachbarschaft. "Es bestand kaum Kontakt zu evangelischen Christen, das war eine andere Welt."
Heute lebt Wiemann in Darmstadt, und die evangelische Freundin Christine ist seine Frau. Der Kommunionstreit hat im vergangenen Jahr für Unruhe unter den deutschen Bischöfe gesorgt. Das Ehepaar persönlich begleitet die Frage, ob der nichtkatholische Ehepartner im katholischen Gottesdienst die Kommunion empfangen darf, seit langem. Und nicht nur sie: Bei mehr als 40 Prozent der kirchlichen Trauungen sind die Partner konfessionsverschieden.
Betroffene: Situation ist verletzend und belastend
"Ich empfinde es als verletzend, dass wir gemeinsam in der Kirche sind, zur Kommunion darf ich dann aber nicht mitgehen", sagt etwa Susanne Barner, die seit 40 Jahren mit ihrem Mann Andreas verheiratet ist. Katharina und Yannick Pultar sind noch jung, empfinden es aber schon jetzt als belastend, dass "wir alles miteinander teilen - auch vieles, was unseren Glauben betrifft, aber an diesem Punkt hört die Gemeinschaft auf". Rein praktisch fühlt sich Yannick Pultar in katholischen Gottesdiensten als Hindernis, sagt er: "Ich bleibe in der Bank sitzen, die Leute, die nach vorne zur Kommunion wollen, müssen sich an mir vorbeidrängeln und fragen sich womöglich: 'Was macht der da eigentlich?'"
Künftig dürfte er womöglich nach vorne gehen - unter "bestimmten Voraussetzungen" sind Nichtkatholiken zur Teilnahme an der Eucharistiefeier zugelassen. Monatelang hatten die deutschen Bischöfe über diesen Schritt teilweise heftig gestritten; nach einer Klarstellung aus Rom, die ein Teil der Bischöfe zum Missfallen ihrer Kollegen eingefordert hatte, gibt es seit dem vergangenen Juni eine sogenannte Orientierungshilfe. Sie überlässt es den einzelnen Bischöfen, wie sie mit dem Thema konkret umgehen.
Linktipp: So gehen die Bistümer mit der Orientierungshilfe um
Die Orientierungshilfe der deutschen Bischöfe sieht den Kommunionempfang evangelischer Ehepartner im Einzelfall vor. Nach dem Erzbistum Paderborn wollen nun weitere Bistümer die Empfehlung umsetzen. (Artikel vom Juli 2018)Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf gehörte zur Dreiviertel-Mehrheit in der Bischofskonferenz, die sich darauf geeinigt hatte, dass evangelische Ehepartner im Einzelfall die Kommunion empfangen können. Weil er um die Kritik weiß, die es auch innerhalb der Priesterschaft gibt, will er die Handreichung "nicht einfach nur auf die Internetseite des Bistums stellen". Stattdessen bietet er Gesprächstage an. Der erste fand am Samstag statt - im Ökumenischen Gemeindezentrum Kranichstein, einem Stadtteil von Darmstadt.
Während Alexander Nawar, Referent für Ökumene im Bischöflichen Ordinariat Mainz, erklärt, dass der "theologische Unterbau" für eine solche Öffnung längst existiere, betont Kohlgraf: "Die Orientierungshilfe ist kein Rechtstext, sie ist auch keine generelle Einladung an alle evangelischen Christen zur Eucharistiefeier." Vielmehr handele es sich um eine pastorale Hilfe für Menschen in konfessionsverbindenden Ehen, die "das Nicht-zur-Kommunion-Gehen als Schmerz empfinden" und - begleitet von einem Seelsorger - zu einer Entscheidung kommen wollten.
"Die Menschen finden ihre eigene Lösung"
Entscheidung heißt: die Bejahung des katholischen Eucharistieverständnisses. Eine Gewissensfrage an den evangelischen Ehepartner, aber auch eine Prüfung für die katholische Seite, sagt Kohlgraf. "Am Ende des Beratungsprozesses kann auch die Erkenntnis stehen, das ist nicht mein Glaube, der äußere Empfang entspricht gar nicht meiner inneren Überzeugung", erklärt er.
Dass immer wieder Nichtkatholiken zur Kommunion gehen - auch ohne Orientierungshilfe und schon seit vielen Jahren -, das weiß der Bischof. "Die Menschen finden ihre eigene Lösung, ob uns die passt oder nicht." Für ihn ist das kein Argument gegen die Handreichung. Im Gegenteil: "Es geht darum, einzelnen Menschen das schlechte Gewissen zu nehmen, dass sie hier etwas tun, was sie eigentlich nicht dürfen, und die Seelsorger, die diese Menschen begleiten, aus der Grauzone des Illegalen zu holen." Und es gehe um die Ökumene, so Kohlgraf: "Nach den vielen theoretischen richtigen Gedanken musste nun einmal ein kleiner konkreter Schritt folgen."