Crescentia Höß: Die blitzgescheite Briefeschreiberin
Die ganze Fastenzeit über war es der Oberin des Franziskanerinnenklosters in Kaufbeuren nicht gut gegangen. Überraschend kam dies nicht. Denn in diesen Wochen, vor allem an den Kartagen wollte Crecentia Höß das Leiden Christi intensiv durchleben. Doch im Frühjahr 1744 müssen die Schmerzen besonders stark gewesen sein. Und die damals 61 Jahre alte Ordensfrau wurde nicht müde, ihrer Umgebung zu versichern, dass es mit ihr zu Ende gehe. Dennoch scherzte sie immer wieder und stimmte ein Loblied auf Gott an. Nur noch aus Haut und Knochen soll die fromme Frau zuletzt bestanden haben, wie aus Aufzeichnungen hervorgeht.
Regelmäßig kam in dieser Zeit ihr Beichtvater, ein Jesuit, zu Besuch und der Franziskanerprovinial. Crescentia regelte die letzten Dinge bezüglich der Zukunft des Klosters. Selbst auf dem Totenbett wusste die Oberin genau, was sie wollte. Dann kamen Karfreitag und Karsamstag, die Schmerzen wurden heftiger, "und ist doch kein Sterben da", wie sie den Schwestern sagte. Den Ostersonntag am 5. April feierte sie mit großer Freude. Um sieben Uhr abends aber tat die Oberin kund, dass sie jetzt noch fünf Stunden zu leben habe. Und tatsächlich "hat sie precise um 12 Uhr ihren sel. Geist in die Hand ihres Erschaffers aufgegeben", wie es in einem Augenzeugenbericht heißt, den der damalige Franziskanerprovinzial Pater Bonifatius Schmid aufschreiben ließ.
Hundert Jahre bis zur Heiligsprechung
Als zwei Schwestern die Tote auf die Ofenbank setzten, um sie mit den klösterlichen Gewändern zu bekleiden, soll diese ohne Hilfe dort aufrecht gesessen sein. Die Beisetzung drei Tage später fanden unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Bald schon pilgerten Tausende zu ihrer Grabstätte, so dass noch im selben Jahr Papst Benedikt XIV. die Untersuchung ihres außergewöhnlichen Lebens anordnete. Doch erst 1900 wurde die Ordensfrau selig, 2001 schließlich heilig gesprochen.
Als Wunder wurde nach kritischer Prüfung von Medizinern und Theologen die Rettung eines Mädchens anerkannt, das 1986 einen Badeunfall überlebte. Obwohl es über 30 Minuten unter Wasser gelegen war, konnte es wider Erwarten vollständig wieder hergestellt werden. Auf Crescentias Fürsprache setzen die Menschen noch immer, doch schon zu ihren Lebzeiten war der Rat der Weberstochter für alltägliche und politische Angelegenheiten gefragt. Bis aus ihr diese "blitzgescheite Frau" wurde, wie sie der promovierte Germanist und Vizepostulator des Heiligsprechungsverfahrens, Karl Pörnbacher, nennt, war es ein beschwerlicher Weg.
Geboren als sechstes von acht Kindern eines Wollwebers in Kaufbeuren entstammte Crescentia einem nicht mit Reichtümern gesegneten Haus. Ihre Aufnahme in den Orden wäre 1703 fast daran gescheitert. Erst als der evangelische Bürgermeister sich einschaltete, wurde ihr Wunsch wahr. Wegen ihrer geringen Mitgift mobbten sie aber die Mitschwestern lange. So musste die duldsame Frau Wasser mit einem Sieb schöpfen. Alles ertrug sie und stieg sogar zur Oberin auf.
Intelligent und schreibwütig
Schon zu ihren Lebzeiten bemerkten die Menschen, dass diese Person nicht nur mit beiden Beinen im Leben steht, sondern eben auch intellektuell etwas draufhat. Der Berg an Briefen in dem Kloster muss gigantisch gewesen sein. An die 1.500 Schreiben jährlich soll die Schwester erhalten und sie auch beantwortet haben. Einfache Leute wandten sich an sie ebenso wie hohe Herrschaften aus Adelshäusern und geistliche Würdenträger.
Den mächtigen geistlichen Kurfürsten von Köln, Clemens August, ermahnte sie, im polnischen Erbfolgekrieg nicht mitzumachen, weil Gott ein Gott des Friedens sei. Als er ihr einmal klagte wegen seiner vielen Geschäfte und Sorgen, antwortete sie ihm sachlich, dass angesichts eines solchen Amtes dies zu erwarten sei - "dergleichen Sorgen haben alle hohen Häupter". Einem wehleidigen Augsburger Domdekan riet sie gegen seine Erkältung und den hartnäckigen Katarrh sich im März wärmer anzuziehen und Zugluft zu meiden. Im Übrigen werde das zunehmend mildere Wetter für Linderung sorgen.
Noch heute kommen viele Menschen in die Klosterkirche, um ihre Anliegen vorzutragen. Es mag ihre bodenständige und fromme Art gewesen sein, die diese Frau einfach glaubwürdig macht.