Der schwierige Weg zu weniger Waffen
Weltweit werden immer mehr Waffen exportiert: In der Zeit von Anfang 2013 bis Ende 2017 sind die weltweiten Rüstungslieferungen gegenüber den fünf Jahren davor um zehn Prozent gestiegen. Fast drei Viertel dieser Güter kommen allein aus fünf Ländern: den USA, Russland, Frankreich, Deutschland und China – die Bundesrepublik macht knapp sechs Prozent aller Lieferungen aus. Allerdings sind in den vergangenen zwei Jahren die deutschen Rüstungsexporte zurückgegangen, zuletzt um rund 600 Millionen Euro auf ein Volumen von 6,2 Milliarden Euro.
Für die Deutsche Kommission Justitia et Pax ist das aber kein Grund zum Aufatmen: Denn die vergangenen drei Jahre sind immer noch diejenigen mit den meisten Exportgenehmigungen seit Ende der 1990er Jahre. Außerdem stört die Aktivisten für "Gerechtigkeit und Frieden" – so die Übersetzung des lateinischen Namens des kirchlichen Beratungsgremiums –, wohin die Waffen aus Deutschland gehen: Denn Hauptabnehmer sind Ägypten und Algerien – und damit Länder, in denen die Menschenrechtslage durchaus umstritten ist. Besonders moniert Justitia et Pax aber Lieferungen an Saudi-Arabien: Im März 2018 genehmigte die Bundesregierung die Ausfuhr von acht Patrouillenbooten. Allerdings wurde die Lieferung nach der Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi aufgeschoben. Das sogenannte Moratorium wurde zwar Ende März verlängert, ist aber nur bis zum 30. September befristet.
Untragbar, findet auch die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), in der sich Justitia et Pax gemeinsam mit evangelischen Partnern engagiert. Denn Saudi-Arabien ist mit verbündeten Staaten Hauptakteur im Jemen-Krieg, der für großes Elend und viele Tote sorgt, nicht zuletzt durch die Hungerkatastrophe in dem von Armut geprägten Land. Daran sind die deutschen Schiffe mitschuldig, sagt Justitia-et-Pax-Geschäftsführer Jörg Lüer katholisch.de: "Mit den Patrouillenbooten tragen wir zur Seeblockade des Jemen bei. Das ist ein nicht unwesentlicher Teil der Hungersnot dort." Die GKKE will deshalb einen unbefristeten Ausfuhrstopp.
Nicht generell gegen das Militär
Ziel der Konferenz ist es aber nicht, überhaupt keine Waffen mehr zu exportieren. Lieferungen etwa an NATO-Länder sieht sie nicht als Problem. "Zufrieden wären wir in dem Moment, wo wir sagen können: Die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung trägt nicht andernorts zu Krieg und Gewalt bei", formuliert es Lüer. Das sei aber noch nicht der Fall. Außerdem gehe es um politische und wirtschaftliche Abwägungen: "Waffen sind viel günstiger, wenn große Stückzahlen produziert werden. Wenn sie aber dann in Konfliktregionen in Afrika oder der arabischen Halbinsel geliefert werden, entstehen dadurch Probleme, die wir selbst wieder lösen müssen." Und die natürlich auch neue Kosten verursachen.
Damit Deutschland durch Rüstungslieferungen keine bewaffneten Konflikte in anderen Ländern schürt, fordert die GKKE schon seit Langem ein Rüstungsexportkontrollgesetz: Beim Genehmigungsprozess soll die Menschenrechtslage im jeweiligen Land, die Gefahr von Repressionen der Bevölkerung durch die Regierung und mögliche bewaffneten Konflikte geprüft werden. Damit sollen in Deutschland nochmal Grundsätze festgeschrieben werden, auf die sich die EU-Länder bereits im Jahr 2008 geeinigt haben. Bei den im Bundestag vertretenen Parteien trifft die Initiative der GKKE auf ein sehr geteiltes Echo: Die Grünen unterstützen die Forderung und brachten den Gesetzentwurf 2018 in den Bundestag ein, bei SPD und Linken gibt es Sympathien für den Vorschlag. Laut den Worten von Jörg Lüer stehen vor allem Union und FDP dem Plan "reserviert" gegenüber. Die AfD will zwar auch keine Waffen liefern, begründet das aber mit der Vermeidung ökonomischer Fluchtursachen.
Analytische und dialogische Arbeit
Um das Thema in der Debatte zu halten, setzt die GKKE auf zwei strategische Säulen: die analytische und die dialogische. Kern der analytischen Arbeit ist der Rüstungsexportbericht, den die Kommission jedes Jahr herausgibt. Das Papier soll Transparenz in das deutsche Rüstungsgeschehen bringen – und machte immerhin so viel Druck, dass die Bundesregierung seit 1998 einen eigenen Bericht schreibt. Mittlerweile ist auch die Beobachtung der Regierungsarbeit ein zentrales Element der analytischen Arbeit geworden.
Zusätzlich gibt es Fachgespräche im Parlament und Diskussionsveranstaltungen, die laut Justitia et Pax auch gut besucht sind. Hier sollen die Ergebnisse der analytischen Arbeit besprochen werden und ein Austausch stattfinden.
Bei der momentanen Sicherheitslage in der Welt wird die Arbeit der Friedensaktivisten allerdings nicht einfacher: Während die deutschen Rüstungsexporte sinken, wird weltweit immer mehr Geld in militärisches Material investiert. Jörg Lüer macht dafür die Krise des Multilateralismus und eine neu entstandene Unsicherheit verantwortlich: Konnten sich Länder früher auf eine geregelte Sicherheitsarchitektur und funktionierende Staatenbündnisse verlassen, scheinen die nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 und dem Krieg in der Ostukraine nicht mehr unangreifbar. Das bringt viele Staaten dazu, ihr Arsenal zu erneuern oder zu erweitern.
Gleichzeitig beobachtet Lüer aber auch ein gesteigertes kritisches Interesse an Rüstungsexportpolitik: "Vor 15 oder 20 Jahren hat das niemanden Interessiert, da gibt es jetzt schon ein deutlich gewachsenes Bewusstsein." Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für traditionell rüstungsfreudigere Länder wie Frankreich oder Großbritannien, wo sich unter anderem die katholische Kirche kritisch in die Debatte einmischt. Dass durch die veränderte Sicherheitslage gleichzeitig mehr Rüstungsgüter ausgeführt werden, sei ein klassisches Dilemma, so Lüer.
Es sieht also nicht danach aus, dass die 1967 begonnene Arbeit von Justitia et Pax in absehbarer Zeit überflüssig wird. In vergangenen Jahrzehnten standen vor allem große öffentliche Demonstrationen gegen Waffen für die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der weltweiten Rüstungspolitik. Darin sieht Lüer aber kein Konzept für heute: "Das sorgt bei den Älteren zwar für Nostalgie, aber allein damit sind unsere komplexen Probleme von heute nicht zu beantworten." Er setzt eher auf den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, in der es eine gemeinsame Grundlage und ein abgestimmtes Vorgehen in Sachen Rüstungsexporte gibt. Die politische Dialogarbeit bleibt für ihn das beste Mittel. Das sorgt nicht für Aufsehen, das geht nicht schnell. Aber es ist der wirkungsvollste Weg, findet er: "Um es mit Max Weber zu sagen: Wir müssen weiter dicke Bretter bohren."