Nach Osterattentat in Sri Lanka

Anschläge an Hochfesten: Maximale Aufmerksamkeit, maximales Entsetzen

Veröffentlicht am 23.04.2019 um 16:40 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Es fing nicht erst in diesem Jahr in Sri Lanka an: Immer wieder wählen Terroristen christliche Hochfeste, um Kirchen anzugreifen und Christen zu töten. Ob in Ägypten, Pakistan oder Nigeria: Die Motivation und das Ziel der Anschläge ähneln sich.

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Es ist ein grausamer Automatismus: Rund um christliche Hochfeste wie Ostern und Weihnachten gibt es seit Jahren blutige Anschläge auf Kirchen und Gottesdienste mit Dutzenden Toten. Selbstmordattentäter in koptischen Gotteshäusern in Ägypten zu Neujahr 2011 und zu Palmsonntag 2017, Anschlag auf eine Kirche im pakistanischen Lahore zu Ostern 2016, Angriff auf einen Neujahrsgottesdienst in Nigeria Anfang 2018 - die Anschläge vom Ostersonntag in Sri Lanka, deren Hintergründe noch unklar sind, reihen sich in eine blutige Folge von Terrorangriffen auf Christen weltweit ein. Die Täter folgen einer grausamen Logik: Sie wollen maximale Aufmerksamkeit und maximales Entsetzen in der christlichen Welt.

Wütende und hilflose Appelle

Die Reaktionen sind entsprechend: Mit Blick auf die mehr als 300 Toten in Sri Lanka forderten deutsche Politiker am Dienstag einen stärkeren Schutz christlicher Minderheiten weltweit. Sie mahnten zugleich zu religiöser Toleranz und warnten vor einem "Zusammenprall der Kulturen".

Linktipp: Sri Lanka: Viele Tote bei Anschlägen auf Kirchen und Hotels

Die Explosionen ereigneten sich am Ostermorgen: Auf Sri Lanka sind bei Bombenanschlägen auf Kirchen und Hotels über 200 Menschen ums Leben gekommen. Es ist der schwerste Anschlag seit zehn Jahren in dem Inselstaat.

Auch international gab es Appelle, die zugleich wütend und hilflos klingen: Der britische Thronfolger Prinz Charles appellierte an die Weltöffentlichkeit, das Drama massenhaft verfolgter Christen nicht länger zu verschweigen. US-Außenminister Mike Pompeo kündigt an, die US-Außenpolitik werde dieses Thema zu einem Schwerpunkt machen.

Glaubt man dem Weltverfolgungsindex, den das überkonfessionelle christliche Hilfswerk Open Doors seit 2003 jährlich vorlegt, hat die Verfolgung von Christen zuletzt beständig zugenommen. So stieg die Zahl der dokumentierten Morde an Christen von 2.782 im Jahr 2017 auf 4.136 im vergangenen Jahr.

Norkorea, Afghanistan, Somalia

Der Verfolgungsbegriff des Hilfswerks reicht aber weiter: Bewertet werden Kategorien wie staatliche Gewalt, Gewalt von gesellschaftlichen Gruppen, Unterdrückung von Glaubensfreiheit, Unterdrückung religiöser Betätigung und soziale Isolierung. Fiel vor fünf Jahren allein Nordkorea in die Kategorie "extremer Christenverfolgung", so erreichten im aktuellen Index 11 Länder die entsprechende Punktzahl. Afghanistan und Somalia folgten auf der Negativ-Liste; Libyen sprang von Platz sieben auf Platz vier.

Totalitäre Herrscher und militante islamistische Bewegungen sind es nicht allein, die für Verfolgung und Ausgrenzung von Christen verantwortlich sind. Nationalistische Regierungen und Gruppierungen suchen nach Identität. Die herrschende Ideologie oder Religion wird zum Klebstoff - und religiöse Minderheiten geraten unter Druck.

Eine alarmierende Zunahme von Christenverfolgung bescheinigt die Hilfsorganisation China (Platz 27) und Indien, das auf Rang 10 vorrückte. Chinas Regierung versuche, die wachsenden christlichen Gemeinschaften zur absoluten Loyalität gegenüber Staat und Partei zu zwingen, heißt es. 2018 seien dort mehr Christen als in jedem anderen Land inhaftiert worden: 1.131 gegenüber 134 im Vorjahr.

In Indien treiben die von Hindu-Nationalisten geführten Regierungen ihre religiös-nationalistische Agenda voran. Extremistische Hindu-Gruppen würden nicht an Gewalt gegen Christen gehindert. So wurden 2018 Angriffe auf 100 Kirchen und 12.500 Christen dokumentiert. Mehr als 200 von ihnen wurden wegen ihres Glaubens verhaftet und mindestens 10 getötet.

Nordkoreas Diktator Kim Jong Un.
Bild: ©picture alliance / dpa/Kcna

Belegt regelmäßig den traurigen ersten Platz beim Weltverfolgungsindex von Open Doors: Nordkorea unter Diktator Kim Jong Un.

Ein großes Problem bleiben die radikalen Islamisten - obwohl der IS im Irak und in Syrien dramatisch an Einfluss verloren hat. Deshalb hätten sich ehemalige Kämpfer der Terrormiliz in anderen Ländern der Region, aber auch in Asien und im südlichen Afrika festgesetzt, so Open Doors. Auch die Terrormiliz Boko Haram hinterlässt eine Spur der Gewalt: So wurden in Nigeria 2018 mit 3.731 mehr Christen um ihres Glaubens willen ermordet als in allen Ländern zusammen.

Sri Lanka auf Rang 46

Sri Lanka übrigens stand auf dem aktuellen Index auf Rang 46. Eine religiöse Verfolgung und Diskriminierung christlicher und muslimischer Minderheiten gehe hauptsächlich von extremistischen buddhistischen Gruppen aus, hieß es. Es gebe darüber hinaus einen religiös motivierten Gruppendruck: Von allen Singhalesen werde erwartet, dass sie Buddhisten sind. Und von der tamilischen Bevölkerung werde erwartet, dass jeder Tamile Hindu ist.

Von Christoph Arens (KNA)