Erzbischof: Kirche in Afrika hinkt bei Thema Missbrauch hinterher
Der Erzbischof von Kapstadt, Stephen Brislin, hat Kritik an der Kirche in Afrika und deren Aufarbeitung von Missbrauchsfällen geäußert. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) plädierte der ehemalige Präsident der Südafrikanischen Bischofskonferenz am Mittwoch für einen "aufrichtigen, transparenten und offenen Prozess". Hier gebe es noch Aufholbedarf auf dem Kontinent.
Lokalen Zeitungsberichten zufolge sind nur wenige afrikanische Länder dem Ruf des Vatikan gefolgt und haben in den vergangenen Jahren ein Regelwerk zum Umgang mit Missbrauch durch Geistliche erlassen. Erzbischof Brislin führt dies auf fehlende Hilfe für die Kirchen vor Ort zurück. Aber auch "Differenzen im kulturellen Verständnis", wie mit Missbrauch umzugehen sei, spiele eine Rolle. "Das bedeutet keinesfalls, dass solche Fälle in Afrika traditionell nicht geahndet werden, aber eben auf andere Weise", so Brislin.
Der Erzbischof wünscht sich ein stärkeres Engagement von den afrikanischen Kirchen. "Denn wir können Vorfälle von Kindesmissbrauch nur auf eine Art behandeln - nämlich als Verbrechen." Ohne ins Detail zu gehen, äußerte Brislin zudem Sorge, dass der Missbrauch von Ordensfrauen die katholische Kirche in Afrika in den kommenden Jahren vermehrt beschäftigen werde. Ihm zufolge durchlebt die Kirche derzeit die "schwierigste Zeit seit der Reformation".
Apartheid hat auch Kirche gespalten
Anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums der Demokratie prangerte Brislin die Spuren der Apartheid in der katholischen Kirche an. "Es ist auch für uns als Kirche eine Herausforderung, eine Brücke zwischen den einzelnen Volksgruppen zu bauen", sagte Brislin. Um möglichst viele Gläubige zu erreichen, predige er neben Englisch auch in den Landessprachen Afrikaans und Sesotho.
"Man darf nicht vergessen, dass die Apartheid auch ein geografisches Gebilde war, das getrennte Räume für Schwarze, Farbige, Weiße und weitere Ethnien vorsah", so Brislin. Vielerorts, etwa in Kapstadt, habe sich aufgrund von Armut und Ungleichheit an der räumlichen Trennung bis heute kaum etwas geändert. Das habe dazu geführt, dass Glaubensgemeinden in vielen Regionen immer noch überwiegend schwarz oder weiß seien. "Einige unserer Pfarreien haben traditionell drei Kirchen, eine für jede Hautfarbe", so Brislin.
"In Südafrika fällt es uns heute in vielen Bereichen schwer, eine multikulturelle Gemeinschaft aufzubauen", so der Erzbischof. Die Kirche sei um einen "Kompromiss" bemüht. "Viele Gläubige bevorzugen Gottesdienste in ihrer jeweiligen Sprache. Das befürworten wir, solange sie regelmäßig einander treffen, etwa für Firmungen oder Familientage." So könne die Einheit von Pfarreien sichergestellt und zugleich "ein gewisser Grad an Vielfalt" gewährt werden.
Am 27. April 1994 fanden in Südafrika die ersten demokratischen Wahlen statt. Die Ernennung Nelson Mandelas zum ersten schwarzen Präsidenten des Landes gilt als Ende der Rassentrennung. (tmg/KNA)