Theologe: Darum waren Churer Bischöfe immer konservativ
Die Päpste haben aus strategischen Gründen in den vergangenen Jahrzehnten stets konservative Kleriker zu Bischöfen der Schweizer Diözese Chur gemacht: Das vermutet der Theologe und ehemalige Geschäftsführer der Ethikkommission des Kantons Zürich, Nikolaus Herzog, in einem Gastkommentar für die "Neue Zürcher Zeitung" (Donnerstag). In der Deutschschweiz habe der Papst einzig in der Churer Diözese wirklichen Einfluss auf die Besetzung des Bischofsamtes. Deshalb bemühe er sich um den Ausgleich der politischen Ausrichtungen.
In den Bistümern Basel und St. Gallen wählt jeweils das Domkapitel den Bischof, der vom Papst dann nur noch ernannt wird. "Weltkirchlich einmalig", schreibt Herzog. Der ebenfalls zur Schweizer Bischofskonferenz gehörende Abt von Einsiedeln wird durch die Mönche des Klosters gewählt. Auch hier hat der Papst keine Einflussmöglichkeiten. Diese kommen ihm lediglich bei der Besetzung des Churer Bischofsstuhls zu.
Laut Herzog sind die Amtsinhaber in Basel, St. Gallen und Einsiedeln etwa im Hinblick auf Fragen der Frauenordination, des Zölibats und der Sexualmoral progressiv. "Politisch liebäugeln sie stets mit links-grünen Forderungen", so Herzog. Deshalb sei es sinnvoll, einen Konservativen zum Bischof von Chur zu machen, um ein Gegengewicht zu erzeugen. Aus diesem Grund sei Chur in den vergangenen Jahrzehnten in konservativer Hand gewesen. Das diene der Einheit der Kirche: Denn Konservative in den anderen Bistümern fänden in Chur einen Bezugspunkt – und umgekehrt. Außerdem führe diese Art der Besetzung dazu, dass in überdiözesanen Gremien wie der Bischofskonferenz immer wieder um einen gemeinsamen Standpunkt und die Balance der verschiedenen Strömungen gerungen werden müsse.
Angst vor "Sondergruppe"
Sollte ein den anderen deutschschweizerischen Bistümern politisch nahestehender Kleriker der neue Bischof von Chur werden, befürchtet Herzog eine "helveto-katholische Sondergruppe", die "den Anschluss an die Weltkirche verliert".
Der Churer Bischof Vitus Huonder hatte am Ostersonntag seinen 77. Geburtstag gefeiert. Mit diesem Tag wurde seine Demission rechtskräftig, Huonder hatte bereits vor zwei Jahren seinen Rücktritt bei Papst Franziskus eingereicht. Dieser hatte den Rücktritt zwar angenommen, jedoch nicht mit sofortiger Wirkung. Laut Bistum bleibt Huonder weiter im Amt, bis seine Nachfolge geklärt ist. Wie bereits sein Vor-Vorgänger Bischof Wolfgang Haas hat Huonder das Bistum polarisiert, zu dem neben den ländlichen Kantonen auch die Finanzmetropole Zürich gehört. Mit verbalen Vorstößen zu Sexuallehre, Kirchenverfassung oder Lebensschutz fungierte er auch landesweit immer wieder als Vertreter des konservativen Kirchenflügels. (cph)