Wojtylas treuer Diener
Auf Papst Johannes Paul II. lässt Kardinal Stanislaw Dzwisisz nichts kommen. Als ehemaliger Privatsekretär des Papstes aus Polen ist ihm die Verteidigung dieses Pontifikats (1978-2005) ein Herzensanliegen. In den vergangenen Monaten war dieser in die Kritik geraten. 2001 hatte er den Washingtoner Erzbischof Theodore McCarrick zum Kardinal ernannt, 1996 machte er den konservativen australischen Kirchenmann George Pell zum Erzbischof von Melbourne. McCarrick wurde im Februar wegen sexuellen Fehlverhaltens mit Minderjährigen aus dem Klerikerstand entlassen; Pell wurde Mitte März wegen Missbrauchs zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt.
"Johannes Paul II. hat das Böse nicht unterschätzt"
"Johannes Paul II. hat das Böse nicht unterschätzt und erst recht nicht versteckt", sagte Dziwisz jüngst in seiner Predigt zum 14. Todestag des polnischen Papstes am 2. April. Dieser Papst habe die Kirche in "absoluter Treue zum Evangelium" geleitet: "Ohne ihn wären Polen, Europa und die Welt anders." Dziwisz nennt indes die aktuellen Vorwürfe gegen den 2014 Heiliggesprochenen nicht direkt beim Namen. Vielmehr sagt er: "Die jüngsten Versuche, die moralische Autorität von Johannes Paul II. zu untergraben, können beunruhigen." Es werde der Verdacht erweckt, der Wojtyla-Papst habe nicht richtig auf das Böse reagiert.
Ziemlich sicher meint er damit Anschuldigungen, das einstige Oberhaupt der katholischen Kirche habe Kinder zu wenig vor sexueller Gewalt durch Priester geschützt. Ende März veröffentlichte er dazu die Stellungnahme "Johannes Paul II. gegen den sexuellen Missbrauch in der Kirche". Die Meinungen, er habe "schleppend" auf den Missbrauch reagiert, "widersprechen den historischen Fakten", schrieb Dziwisz. Dazu listet er unter anderem auf, wie der Papst 1994 in den USA und zwei Jahre später in Irland mit einer "Null-Toleranz-Politik" pädophile Verbrechen bekämpft habe.
Johannes Paul II. hatte Dziwisz, der an diesem Samstag seinen 80. Geburtstag feiert, stets sein Vertrauen geschenkt. Direkt nach dem Abitur war der Kirchenmann 1957 in das Priesterseminar der südpolnischen Metropole eingetreten. Heute zählt er zu den bekanntesten und beliebtesten Geistlichen Polens. Im Oktober 1966 machte Johannes Paul II. ihn zu seinem Kaplan und Sekretär. Er blieb es bis zum Tod des Papstes. Dabei verstand er sich auch als Türöffner für einfache Pilger aus Polen, Deutschland und anderen Ländern, die den Heiligen Vater treffen wollten. Dziwisz ermöglichte ihnen manchmal unkompliziert die Teilnahme an Frühmessen mit dem Papst.
Da Dziwisz ihm damals schon so lange diente, konnte er ihm viele Gedanken von den Augen ablesen – und von den am Ende fast sprachunfähig werdenden Lippen. Trotzdem war es manchen im Vatikan nicht ganz geheuer, wenn Dziwisz gegen Ende immer öfter mit dem Satz "Der Heilige Vater wünscht..." Dinge entschied und anordnete. Für den treuen Diener war die Last am Ende unerträglich. Als Johannes Paul II. tot war, strahlte Dziwisz neben Trauer auch Erleichterung aus. Dazu trug sicher auch bei, dass der deutsche Nachfolger im Papstamt, Benedikt XVI., den langjährigen Privatsekretär seines Vorgängers schon sehr bald zum Erzbischof von Krakau ernannte und ihn zum Kardinal beförderte.
In den Jahren nach dem Tod seines Meisters entwickelte sich Dziwisz zu einer Art kirchlichem Nachlassverwalter von Johannes Paul II. Am Rande von Krakau ließ er rasch ein großes Sanktuarium für ihn errichten und kümmerte sich um seine Heiligsprechung. Dziwisz kam jedoch nie in die Versuchung, seinem Mentor nacheifern zu wollen. Auch in der Polnischen Bischofskonferenz übernahm er, trotz des traditionell großen Gewichts des Krakauer Erzbischofssitzes, eine zwar sichtbare, aber keine dominante Rolle. Im Dezember 2016, fünf Monate nach dem Krakauer Weltjugendtag mit Papst Franziskus, trat er als Erzbischof in den Ruhestand.
Umstrittene Entscheidung zu persönlichen Aufzeichnungen
In Vorträgen und Büchern hat Dziwisz seine Jahre mit dem Papst aus Wadowice ausführlich geschildert. Umstritten war seine Entscheidung, die persönlichen Aufzeichnungen von Johannes Paul II. nach dessen Tod nicht zu vernichten. Gegen den ausdrücklichen testamentarischen Wunsch des Papstes bewahrte Dziwisz die Notizen für die Nachwelt auf.