Kinderschutzexperte des Vatikan sieht großen Nachholbedarf

Vertuschung von Missbrauch: Zollner fordert klare Strafen für Bischöfe

Veröffentlicht am 30.04.2019 um 12:10 Uhr – Lesedauer: 

Osnabrück ‐ Was passiert, wenn Bischöfe und Ordensobere Missbrauch vertuschen? Der Jesuit Hans Zollner fordert für diese Fälle klare Sanktionen der Kirche. Denn er ist überzeugt: Wer Missbrauch unter den Tisch fallen lässt, muss zur Rechenschaft gezogen werden können.

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Aus Sicht des Vatikan-Kinderschutzexperten Hans Zollner muss die Kirche rasch klären, welche Sanktionen Bischöfe zu erwarten haben, die Missbrauch vertuschen. Es müsse klar sein, "wie Bischöfe und Ordensobere zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden können, wenn sie ihrer Verantwortung nicht gerecht werden - wenn sie also zum Beispiel von einem Missbrauchsverdacht wissen und nicht entsprechend handeln", sagte der Jesuit im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag).

Schon heute gebe es Möglichkeiten der Bestrafung, ergänzte der Leiter des päpstlichen Kinderschutzzentrums: "Es muss aber genauer geklärt werden, wie ein solcher Prozess funktioniert und welche Sanktionen diesen Amtsträgern auferlegt werden können."

Insgesamt, so Zollner weiter, müsse es einen realistischeren Umgang mit dem Thema Missbrauch in der Kirche geben: "Wir müssen Tacheles reden, wir müssen zugeben, dass wir wegen des Missbrauchs in einer Krise stecken." Die Kirche habe hier einen "ziemlichen Nachholbedarf in Bezug auf eine Kommunikation, die alle erreicht und Formen der Mitbestimmung ermöglicht".

Das zeige sich auch beim Thema Prävention, ergänzte der Experte: "Wir tun viel mehr, als die meisten sehen." Die katholische Kirche sei bisher die einzige Institution in Deutschland, die sich dem Thema "über Jahre gestellt hat und ein konsistentes Präventionsmodell vorgelegt hat und dieses auch durchzieht". Das nähmen aber nur wenige wahr, denn "die Skandale und der Eindruck, dass nichts weitergeht, überlagern das".

Bild: ©Stefano dal Pozzolo/Romano Siciliani/KNA

Opfer von Missbrauch in der katholischen Kirche und deren Unterstützer laufen bei einer Mahnwache während des Anti-Missbrauchsgipfels am 21. Februar 2019 über die Via della Conciliazione in Rom. Sie halten ein Banner und ein großes Kreuz. Im Hintergrund: der erleuchtete Petersdom im Vatikan.

In der letzten Woche hatte der Jesuitenpater die Kirche zu mehr Transparenz im Umgang mit Missbrauchsfällen aufgefordert. Es brauche dringend eine geregelte Rechenschaftspflicht für Bischöfe, sagte der 52-Jährige bei einer Veranstaltung in Lingen. Ein grundsätzliches Problem sei zudem, dass im Vatikan Prozesse zu Missbrauch extrem lange dauerten. Der Theologe und Psychologe forderte neue Gesetze für die Kirche. Die Kontrolle müsse an andere übergeben werden, die nicht zum System gehörten. Auch brauche es noch mehr Aufmerksamkeit für die Betroffenen und deren Anliegen.

Zollner gilt als einer der führenden Fachleute bei der Prävention sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Er war maßgeblich an der Vorbereitung des Anti-Missbrauchsgipfels im Vatikan beteiligt, der im Februar mit Bischöfen aus aller Welt stattfand. Im Anschluss daran zog er eine positive Bilanz, denn die Teilnehmer seien mit dem Bewusstsein in ihre Länder zurückgereist, dass sie in ihrem Bereich etwas tun und als Kirche ihren Auftrag erfüllen müssten.

Doch Zollner sah auch konkreten Handlungsbedarf in vielen Bereichen. Dazu gehöre die Überarbeitung der Leitlinien für alle kirchlichen Bereiche, einschließlich Schulen und Krankenhäuser. Zum anderen seien Schulungen für alle Mitarbeiter vom Priesteranwärter über die Erzieherin bis zum Theologiestudenten vorgesehen. Zollner verwies auf Äußerungen von Papst Franziskus, der eine Null-Toleranz-Grenze der Kirche bei Missbrauchs-Fällen von Priestern verlange. (cst/KNA)