Koordinatorin der deutschen Hilfe für die ausgebrannte Kathedrale

Ex-Dombaumeisterin gegen schnellen Wiederaufbau von Notre-Dame

Veröffentlicht am 30.04.2019 um 12:30 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Frankreichs Präsident Macron versprach einen raschen Wiederaufbau. Die ehemalige Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner plädiert hingegen für eine gründliche Untersuchung - dafür bietet sie die Hilfe deutscher Experten an.

  • Teilen:

Die Kölner Architektin Barbara Schock-Werner sieht einen Wiederaufbau von Notre-Dame in fünf Jahren skeptisch. "Wenn es mit gründlichen Voruntersuchungen geschehen soll, ist es ein sehr sportlicher Termin", sagte die Koordinatorin für die deutsche Wiederaufbauhilfe am Montag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Köln. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron "will ja alle Denkmalschutzgesetze außer Kraft setzen. Das halte ich für problematisch". Die frühere Kölner Dombaumeisterin reist am Dienstag mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) nach Paris.

Schock-Werner forderte, dass der Wiederaufbau "gründlich gemacht wird und dass es ein europäisches Projekt gibt". Zuerst müsse der Schaden aufgenommen werden, bevor es an den Wiederaufbau gehe. So sei zu klären, was die Gewölbe halten und was nicht. "Da kann man nicht einmal rütteln und sagen 'Hält noch'. Man muss die Gewölbe vermessen, inwieweit sie verschoben sind." Der Lehrstuhl für Bauaufnahme der Universität Bamberg habe mit Laseraufnahme und Scans sehr viel Erfahrung, "da könnten deutsche Experten helfen".

"Wir versuchen herauszufinden, inwieweit die französische Seite an Hilfe interessiert ist", sagte Schock-Werner zu ihrer Reise nach Paris. "Wir wollen ja nicht als Besserwisser auftreten, sondern schauen, was sie brauchen können." Sie würde sich über eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich aber freuen.

Bild: ©picture alliance / abaca

Der Innenraum der Kathedrale Notre-Dame nach dem Brand am 15. April 2019.

Die Pariser Kathedrale benötigt laut Schock-Werner zunächst ein Notdach, "und zwar eines, unter dem man arbeiten kann". Da brauche man Unmengen von Gerüstmaterial, Folien und mehr. "Da könnte Deutschland einspringen", so die Architektin. "Wenn es wieder einen Holzdachstuhl gibt, stellt sich die Frage, ob sie deutsche Eichen brauchen oder nicht. Solche Dinge werde ich erst nach dem Besuch wissen."

Schock-Werner war von 1999 bis 2012 Dombaumeisterin des Kölner Doms. Grütters will am Dienstag dem französischen Amtskollegen Franck Riester Unterstützung von deutscher Seite anbieten.

Am Montag hatten über tausend französische Experten vor einer "überstürzten" Restaurierung der Pariser Kathedrale Notre-Dame gewarnt. "Präsident, übergehen Sie nicht die Experten für Kulturerbe", lautete die Überschrift des in der französischen Zeitung "Le Figaro" veröffentlichten Aufrufs in Paris. Unterzeichnet war er von 1.170 Konservatoren, Architekten, Professoren und Kulturerbe-Experten. Sie forderten von Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron Vorsicht und Verantwortungsbewusstsein bei der Restaurierung von Notre-Dame.

Am 15. April war ein Feuer im Dach des Chores der gotischen Kathedrale entdeckt worden. Rasch griffen die Flammen auf den gesamten Dachstuhl aus jahrhundertealten Holzbalken über. Über 400 Feuerwehrleute brachten den Brand nach Stunden unter Kontrolle. Sie verhinderten, dass die Flammen auch auf die beiden Westtürme übergriffen und das Gotteshaus einstürzte. Kurz nach Ende der Löscharbeiten hatten bereits mehrere Unternehmer und Milliardäre Spenden für den Wiederaufbau zugesagt. Binnen 24 Stunden kamen so Gelder in Höhe von einer Milliarde Euro zusammen. (cst/KNA)