Bischof Genn beklagt fehlendes Verständnis für Zölibat
Münsters Bischof Felix Genn beklagt ein fehlendes Verständnis für den Priesterzölibat. "Wir haben in unserer westlichen Kultur den Sinn für dieses innere Geheimnis eines Lebens in der Nachfolge Jesu verloren", sagte er im Interview der Bistumszeitung "Kirche+Leben" (Sonntag) aus Münster. "Mich schmerzt es sehr, dass das Geheimnis meines Lebens mit Jesus - dieses Leben habe ich nur wegen Jesus gewählt - ständig unter 'Beschuss' gerät."
"Die generelle Forderung nach der Abschaffung dieser Lebensform, der Lebensform Christi, ist auch ein ständiger Angriff auf gelebte Lebensformen", kritisierte Genn. Offenbar wolle man "einen Stachel im Fleisch weghaben", denn der Zölibat sei "ja ein Stachel im Fleisch".
Weiter sagte der Bischof: "Die zölibatäre Lebensform wird geradezu als zugespitzter Ausdruck einer vermeintlich durchweg negativ-pessimistischen Auffassung der Kirche von der menschlichen Sexualität verstanden." Zudem herrsche bei vielen der Eindruck: "Wasser predigen und Wein trinken." Der Zölibat sei in diesem Sinne auch ein "Symbol" für den Umgang von Kirche mit Sexualität - "und dies ist natürlich durch den Missbrauchsskandal verheerend zerstört worden".
Kein "konservativer Club"
Der Priesterberuf habe in einer geschlossenen katholischen Welt viel leichter wachsen können, "weil er dazu gehörte und eine gewisse gesellschaftliche Stellung versprach", sagte der Bischof. "Das ist vorbei." Wer Priester werden wolle, brauche eine jahrelange Begleitung. "Sehr froh" zeigte sich Genn über die jüngeren Priester, die er in den vergangenen zehn Jahren geweiht hat. "Sie machen überhaupt nicht den Eindruck eines konservativen Clubs, sondern sind sehr aufgeschlossen."
Genn leitet die Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste in der Bischofskonferenz. Er äußerte sich zum katholischen Weltgebetstag um geistliche Berufe an diesem Sonntag. Genn war früher Spiritual am Priesterseminar Trier. Zudem leitete er das Studienhaus Sankt Lambert bei Bonn, wo sogenannte Spätberufene Theologie ohne Abitur studieren können.
Der Zölibat ist die Pflicht zur Ehelosigkeit für katholische Priester. Auch im Zuge des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche stand er in der jüngeren Vergangenheit wieder verstärkt zur Diskussion. Mehrere deutsche Bischöfe nahmen zu dem Thema Stellung. Zuletzt hatte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode eine neue Diskussion über den Zölibat angeregt. Im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte er: "Meiner Meinung nach müssen wir die Verbindung von Zölibat und Priestertum bedenken." Er könne sich auch Priester mit Familie und Zivilberuf vorstellen – "ähnlich wie unsere Diakone, von denen einige verheiratet und berufstätig sind", so Bode. Dennoch habe der Zölibat einen "hohen, angemessenen Wert", den er auch behalten solle. (tmg/KNA)