Ackermann: "Natürlich habe ich Fehler gemacht"
Seit zehn Jahren ist Stephan Ackermann Bischof von Trier. Und fast so lange liegt auch ein Schatten über der Kirche: Sein 2010 übernommenes Amt als Missbrauchsbeauftragter präge quasi jeden Tag, sagte Ackermann am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Im Interview blickt er auf Höhen und Tiefen seiner bisherigen Amtszeit zurück und spricht über Widerstände gegen seine ambitionierten Reformpläne.
Frage: Bischof Ackermann, der damalige Kölner Kardinal Meisner hat Sie am 24. Mai 2009 in Ihr Amt als Trierer Bischof eingeführt. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihr Jubiläum?
Ackermann: Da ist vor allem das Gefühl der Dankbarkeit. Denn ich erlebe, dass Gott die Dinge fügt und führt, und ich durfte mich in den zurückliegenden Jahren von vielen Menschen im Bistum getragen wissen, besonders auch von denen, die mir in der Leitung des Bistums zur Seite stehen und den Menschen in meinem engen Umfeld.
Frage: An welche Ereignisse in diesen zehn Jahren erinnern Sie sich gern?
Ackermann: Natürlich erinnere ich mich sehr gerne an die große Heilig-Rock-Wallfahrt im Jahr 2012, die ja noch mein Vorgänger Reinhard Marx als Bischof von Trier ausgerufen hatte. Ich erinnere mich gerne an die intensive Zeit der Diözesansynode. Da war Mut zu Aufbruch und Veränderung zu spüren, der sich jetzt in der Umsetzung bewähren muss. Zu den schönen Ereignissen zählen aber bis heute auch die vielen Begegnungen in den Gemeinden vor Ort.
Frage: Was waren Tiefschläge in diesem Jahrzehnt?
Ackermann: Das Schmerzlichste in den vergangenen zehn Jahren ist natürlich die durch den sexuellen Missbrauch verursachte Krise. Aber wir haben uns ihr mit allen Konsequenzen zu stellen, und ich bin davon überzeugt, dass sie auf Dauer zu einer Reinigung und positiven Veränderung der Kirche beiträgt. Schmerzlich ist auch, dass der Glaube dort, wo er nicht mehr volkskirchlich abgestützt ist, im persönlichen Leben von sehr vielen Getauften so dramatisch an Bedeutung verliert.
Frage: Haben Sie selbst Fehler gemacht, die Sie heute bereuen?
Ackermann: Natürlich habe ich Fehler gemacht - und daraus gelernt. Gerade was die Thematik des sexuellen Missbrauchs angeht, habe ich schon häufiger gesagt, dass wir hier nach wie vor in einer Lerngeschichte stehen.
Frage: 2009 wurden Sie Trierer Bischof, bereits 2010 wurden Sie zum Missbrauchsbeauftragten der Bischofskonferenz bestimmt. Wie sehr hat dieses Amt Ihre Tätigkeit als Kirchenmann geprägt?
Ackermann: Diese Aufgabe gehört im Grunde zur Realität eines jeden Tages. Sie hat mich natürlich auch - und dafür bin ich dankbar - sensibler gemacht für die Frage des Umgangs mit Macht insgesamt und mit den verheerenden Folgen, die Machtmissbrauch für das Leben von Menschen haben kann.
Frage: Hand aufs Herz: Sind Sie als Missbrauchsbeauftragter eher Krisenmanager oder eher aktiv Handelnder, der seine Agenda umsetzen kann?
Ackermann: Mal bin ich mehr das eine, mal mehr das andere. Tatsächlich war in den letzten Jahren oft Krisenmanagement angesagt. Und ansonsten ging es ja nie bloß um meine Agenda, sondern die Umsetzung gemeinsam eingegangener Verpflichtungen.
Frage: Als erster deutscher Bischof seit einem Vierteljahrhundert haben Sie eine Diözesansynode ausgerufen und damit Geistlichen wie Laien die Geschicke des Bistums in die Hände gelegt. Was bleibt von dieser 2016 beendeten Synode, wie wirkt sie über die Grenzen des Bistums hinaus?
Ackermann: Seit dem Ende der Synode sind wir daran, die Synodenbeschlüsse zu konkretisieren und in die Wirklichkeit des Bistums zu übersetzen. Insofern ist die Synode im Bistum sehr präsent. Welche Wirkung sie über das Bistum hinaus entfaltet, kann ich noch nicht sagen. Wir erleben durchaus Neugier an Synode als einem Instrument gemeinsamer Beratung in einem Bistum. Aber da ist auch Skepsis, ob die Konsequenzen, die die Synode etwa für das Leben in den Pfarreien zieht, hilfreich sind. Aber ich finde das legitim. Denn der Erfolg einer Synode bemisst sich ja nicht an einem wohlformulierten Schlussdokument, sondern an einer intensiveren Praxis des christlichen Lebens.
Frage: Sie wollen bis 2022 die größte Pfarreienreform in der Geschichte des Bistums Trier umsetzen. Doch der Widerstand gegen die Schaffung von Großpfarreien ist groß. Wie sicher sind Sie, dass Sie diese Widerstände überwinden werden?
Ackermann: Ich bin nicht sicher, ob die geplanten Veränderungen wirklich die größte Pfarreienreform in der Geschichte des Bistums Trier sind. Die Auswirkungen der Säkularisation waren sicher einschneidender. Aber damals war die Veränderung von außen aufgezwungen. Jetzt kommt sie von innen, aus dem Bistum selbst heraus. Ich hoffe darauf, dass wir die Menschen in den Gemeinden durch solide Informationen, durch die vielen Begegnungen und Gespräche vor Ort mitnehmen können. Und ich hoffe darauf, dass sich in der Praxis zeigt: Ja, es geht. Mehr noch: dass die Veränderungen in der Pfarreienlandschaft neue Lust darauf wecken, Kirche zu sein.
Frage: Wie sehr bereitet Ihnen die Zukunftsprognose Sorgen, dass sich die Zahl der Kirchenmitglieder bis 2060 mehr als halbieren wird?
Ackermann: Diese Prognose lässt mich nicht kalt - erst recht nicht, wenn die Wissenschaftler sagen, dass dieser Rückgang sich nur zum Teil mit dem Bevölkerungsrückgang erklären lässt. Andererseits nehmen wir diesen Trend schon länger wahr. Insofern ist die Prognose nicht völlig überraschend. Mit unserer Synode versuchen wir, auf diese Entwicklung eine Antwort zu geben, damit das Bistum zukunftsfähig wird. Im Übrigen hilft mir zu mehr Gelassenheit das vielzitierte Wort von Papst Franziskus, der sagt, dass es für uns als Kirche wichtiger und richtiger ist, Prozesse in Gang zu setzen, anstatt Räume zu besitzen. Das Evangelium hat dafür das Bild vom Sauerteig.