Urteil: Wittenberger "Judensau" darf hängen bleiben
Das "Judensau"-Relief an der Wittenberger Stadtkirche darf bleiben. Das entschied am Freitag das Landgericht Dessau-Roßlau. Es wies damit die Klage eines Mitglieds der Jüdischen Gemeinde zu Berlin ab. Der Kläger hatte im Mai 2018 vor dem Amtsgericht Wittenberg wegen Beleidigung geklagt und die Entfernung des antisemitischen Reliefs gefordert. Eine Berufung zum Oberlandesgericht Naumburg ist laut Gericht möglich.
Richter Wolfram Pechtold erklärte, es bestehe kein Beseitigungsanspruch seitens des Klägers. Auch liege keine von der evangelischen Gemeinde ausgehende Beleidigung im Sinne des Strafgesetzbuches vor. Das Vorhandensein der Plastik könne nicht als Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung gegenüber in Deutschland lebenden Juden verstanden werden, erklärte der Richter.
Schwein gilt den Juden als unrein
Auf dem Sandsteinrelief an der Predigtkirche Martin Luthers (1483-1546) ist ein Rabbiner zu sehen, der den Ringelschwanz eines Schweins anhebt und ihm in den After schaut. Weitere Figuren strecken sich nach den Zitzen des Tieres. Das Schwein gilt den Juden als unrein. Hinzu kommt die 1570 eingelassene Inschrift "Rabini-Schem HaMphoras". Diese ist vermutlich inspiriert von Luthers antijüdischer Schrift "Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi" von 1543. Schem Ha Mphoras steht für den im Judentum unaussprechlichen heiligen Namen Gottes.
Unterhalb der Darstellung erinnert ein im Boden eingelassenes Mahnmal seit 1988 Besucher an die unselige Tradition des Antisemitismus. Geschichte lasse sich nicht einfach entsorgen und Unrecht nicht zudecken, argumentierte die evangelische Stadtkirchengemeinde in einer Stellungnahme gegen eine Entfernung der Skulptur und bezeichnete sie als "Schandmal".
Im Jahr des 500. Jubiläums der Reformation 2017 hatte die Debatte zur "Judensau" erneut an Fahrt aufgenommen. In der Folge gerieten auch antijüdische Darstellungen an katholischen Kirchen ins Blickfeld. (tmg/KNA/epd)