Offensive von Islamisten

Kalkulierte Gewalt in Burkina Faso

Veröffentlicht am 28.05.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Ouagadougou ‐ In Westafrika häufen sich die Fälle von Gewalt gegen Christen, Kirchen werden überfallen und es gibt immer wieder Tote. Diese Anschläge sind Teil einer breit angelegten Offensive von Islamisten, die bestehende Konflikte für sich nutzen.

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Burkina Faso galt mal als Musterland religiöser Vielfalt: In dem westafrikanischen Staat lebten noch bis vor wenigen Jahren Muslime, Christen und Anhänger von Naturreligionen friedlich nebeneinander. Zum Teil waren sogar Familien in religiöser Hinsicht bunt durchmischt. Die Muslime im Land, etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung, praktizierten eine pragmatische Form des Islam, alle Gemeinschaften genossen auch im Alltag Religionsfreiheit.

Doch seit 2015 scheint sich das Blatt zu wenden: Immer wieder wird von Gewalt und Terror in Burkina Faso berichtet. Zuletzt überfielen Angreifer im Dorf Toulfe eine katholische Kirche während der Messe, zerrten Menschen auf die Straße und eröffneten das Feuer. Vier Gottesdienstbesucher wurden getötet. Auch in den Wochen vorher kam das Land durch Angriffe auf eine Marienprozession, Kirchen, Priester und Ordensleute in die internationalen Medien. Betroffen waren katholische wie evangelische Kirchen.

Vielschichtige Konflikte

Eine eindeutige Erklärung für diese Anschläge gibt es nicht. Es lassen sich in der Geschichte der vergangenen Jahre aber einige Hinweise finden. Zunächst zeigt ein Blick auf die Landkarte, dass Burkina Faso von einigen politisch instabilen Ländern umgeben ist: In Mali, dem Niger oder dem Tschad sind Islamistengruppen aktiv, die auch über Grenzen hinweg Hass und Gewalt sähen wollen. Sie nutzen dafür oft schwelende Konflikte, wie es sie auch in Burkina Faso gibt: In dem von mehreren Ethnien geprägten Land leben einige Mitglieder der Peul noch als Nomaden. Es kommt vor, dass ihre Herden in Gebieten grasen, die örtlichen Bauern gehören. Streit ist vorprogrammiert. Dazu kommt, dass die Peul vor allem Muslime sind, die Bauern vor allem Christen. Dadurch bekommt dieser ethnische Konflikt eine religiöse Dimension – und Islamisten nutzen das.

Sie schüren solche ethnischen Auseinandersetzungen gezielt und strategisch, um Regionen zu destabilisieren. So weiß Bettina Tiburzy vom Hilfswerk missio von der nigerianischen Provinz Plateau, in der die Terrormiliz Boko Haram durch Anschläge bestehende Unstimmigkeiten verschärften.

Ein schwacher Staat

Was den Islamisten in Burkina Faso in die Hände spielt, ist ein Staat, der der Gewalt anscheinend nicht begegnen kann oder will. Wie Tiburzy beobachtet, werden Angriffe oder Massaker kaum aufgearbeitet. Der Geschäftsführer des christlichen Hilfswerks "Open Doors", Markus Rode, kritisierte im Kölner Bistumssender Domradio Staaten wie Burkina Faso als korrupt und nicht an einer Konfliktlösung interessiert.

Ein alter Koran mit vergilbten Seiten.
Bild: ©Sophie James/Fotolia.com

Die meisten Menschen in Burkina Faso sind Muslime.

Durch fehlende Gegenmaßnahmen und Aufklärung werden etwa in Burkina Faso Vorurteile bestärkt, die die Schuld an Gewalt schnell den Peul zuschieben. Dabei kommen Dschihadisten aus sehr unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Ihre Gewalt richtet sich nicht nur gegen Christen, sondern auch gegen gemäßigtere Muslime, die die harte Linie nicht mittragen wollen.

Kein Ende in Sicht

Ein Ende der Auseinandersetzungen ist nicht abzusehen: Durch den Klimawandel werden laut Tiburzy vor allem in der von Trockenheit geprägten Sahelzone die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen knapper – was die Konflikte zwischen Nomaden und sesshaften Bauern verschärfen dürfte. Ein weiterer Faktor ist die Situation der Dschihadisten im Irak und Syrien: Dort ist es den jeweiligen Militärkoalitionen gelungen, Gruppierungen wie den IS zurückzudrängen. Deshalb ziehen die Islamisten in andere Gebiete, unter anderem nach Afrika. Laut den Vereinten Nationen sollen unter den 30.000 ausländischen IS-Kämpfern rund 6.000 aus Afrika kommen. Sie könnten nun vermehrt in ihre Heimatländer zurückkehren.

Ein anderer Faktor ist die Arbeitsmigration: Denn viele junge Menschen aus Burkina Faso studieren in Ländern wie etwa Saudi-Arabien, in denen strenge Formen des Islam die Regel sind. "Diese kehren dann möglicherweise radikalisiert zurück", befürchtete missio-Präsident Klaus Krämer bereits 2017.

Theophile Nare hofft dagegen auf eine Besserung der Zustände. Der Bischof des Bistums Kaya in Burkina Faso sagte Vatican News, er hoffe auf die Vernunft der Menschen: "Wir denken nicht: Das ist jetzt der Islam, der sich gegen das Christentum wendet, nein! Das sind einige radikalisierte Muslime, die alle anderen, die Gemäßigten, angreifen."

Von Christoph Paul Hartmann