Volksverhetzung? – Biologe nach "kath.net"-Interview vor Gericht
Der Prozess gegen einen Kasseler Biologieprofessor wegen des Verdachts der Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung und Verleumdung ist am Mittwochabend wenige Stunden nach Beginn ausgesetzt worden. Grund dafür sei, dass innerhalb von drei Wochen kein neuer Termin gefunden werden konnte, sagte der Vorsitzende Richter Henning Leyhe. Das Verfahren müsse neu aufgerollt werden.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Lehrstuhlinhaber der Universität Kassel vorgeworfen, am 5. Juli 2017 im österreichischen Internetportal "kath.net" unter dem Vorwand "biowissenschaftlicher Fakten" homosexuellen Personen eine grundsätzliche Neigung zum sexuellen Missbrauch von Kindern vorgeworfen zu haben. Die Homo-Ehe eröffne "ein mögliches Horror-Kinderschänder-Szenario", über das man nicht weiter nachdenken wolle, heißt es in einem Interview.
Der Angeklagte stehe damit in Verdacht, "zumindest billigend in Kauf genommen zu haben, dass seine Äußerungen geeignet waren, Homosexuelle und gleichgeschlechtliche Paare im Besonderen in ihrer Geltung und ihrem Ansehen gegenüber heterosexuellen Mitmenschen als ungleichberechtigte Personen herabzuwürdigen und zu verletzen".
Verteidigung zeichnet komplett anderes Bild des Angeklagten
Die Verteidigung hatte am Mittwoch ein komplett anderes Bild von dem Angeklagten gezeichnet. Er trete grundsätzlich dafür ein, dass Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung nicht diskriminiert werden dürften, hieß es. In dem Interview habe er nur biologische Fakten verwendet, die nicht herabwürdigend verstanden werden dürften. Auch sei er der Überzeugung, dass Homosexualität keine Krankheit und deshalb auch nicht therapierbar sei.
Der Kasseler Professor war von zwei Personen angezeigt worden. Einer von ihnen, ein Arzt und Psychotherapeut aus Berlin, trat vor Gericht als Zeuge auf. Er hielt dem Angeklagten vor, auf dem Gebiet der menschlichen Biologie inkompetent zu sein, er sei lediglich Pflanzenbiologe. Der Professor hatte zuvor bereits mit Äußerungen zur "Geschlechteridentität" provoziert: "Männer wollen einfach eine nette Frau, mit der man nicht viel diskutieren muss; jung, attraktiv, gut kochen muss sie können, Kinder großziehen." Die Geschlechterforschung nannte er eine "quasi-religiöse Strömung" und ein "Krebsgeschwür".
Auf dem Internetportal kath.net erscheinen regelmäßig herabwürdigende Interviews und Gastbeiträge zu Themen wie Gender und Homosexualität. So hatte etwa der emeritierte Salzburger Weihbischof Andreas Laun die Segnung für homosexuelle Paare mit einer Segnung für Konzentrationslager, Bordelle oder die Mafia verglichen. Massive Kritik gab es dafür unter anderem vom Wiener Kardinal Christoph Schönborn. Das Portal arbeitet nicht im Auftrag der Österreichischen Bischofskonferenz, sondern wird privat finanziert. (bod/epd)