Der Personalchef für die Führungskräfte
Kaum ein Kurienchef ist so oft beim Papst wie Marc Ouellet. Jede Woche schlägt der kanadische Kurienkardinal dem Oberhaupt der katholischen Kirche Kandidaten für einige der weltweit rund 4.500 Bischofssitze zur Ernennung vor, die neu zu besetzen sind. Eine heikle Aufgabe, gerade seitdem bekannt geworden ist, dass und wie Bischöfe ihrer Sorgfaltspflicht etwa bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen nicht gerecht geworden sind.
Vorläufiger Höhepunkt war im August 2018 der Rundumschlag des früheren Vatikandiplomaten Carlo Maria Vigano. Er beschuldigte Franziskus und die halbe Kurie, bei der immer weiteren Beförderung des ehemaligen Erzbischofs von Washington, Theodore McCarrick, Informationen zu dessen sexuellem Fehlverhalten und Amtsmissbrauch übersehen, ja unterschlagen zu haben.
"Offener Brief" an Ex-Nuntius Vigano
Als Ex-Nuntius Vigano Kardinal Ouellet namentlich anschoss, entschied sich der zurückhaltende Frankokanadier zu einem ungewöhnlichen Schritt: Er antwortete Vigano mit einem "Offenen Brief" – "mit Erlaubnis des Papstes" und über das vatikanische Presseamt veröffentlicht. Auch wenn Ouellet in dem dreiseitigen Schreiben Fehleinschätzungen der Kurie in Sachen McCarrick nicht ausschloss, so wies er doch sämtliche Vorwürfe Viganos zurück. Dessen Position erscheine ihm "unbegreiflich und extrem verwerflich". Es sei völlig abwegig, dass Vigano vom Skandal sexuellen Missbrauchs zu profitieren suche, um der moralischen Autorität des Papstes "einen unerhörten und unverdienten Schlag zu versetzen". Vigano solle aus seinem Versteck auftauchen, bereuen und sich mit dem Papst versöhnen.
Geboren wurde Marc Armand Ouellet am 8. Juni 1944 in La Motte in der französischsprachigen Provinz Quebec als Sohn einer Familie mit acht Kindern. Zunächst studierte er Philosophie und Pädagogik, um sich dann der Theologie zuzuwenden. Nach der Priesterweihe 1968 arbeitete er zwei Jahre lang als Gemeindeseelsorger, bevor er für zwei weitere Jahre als Dozent nach Bogota in Kolumbien ging. Seither hat Ouellet gute Beziehungen nach Lateinamerika. Nach Studien in Rom und Innsbruck hielt er sich für einen Deutschkurs kurz in Passau auf. Er wechselte mehrfach zwischen Rom, Kanada und Kolumbien. Ouellet ist Mitglied der Kongregation der Sulpizianer, die sich besonders der Erziehung und Ausbildung von Weltpriestern widmet.
Im März 2001 ernannte Papst Johannes Paul II. den Kanadier zum Sekretär des Rates für die Einheit der Christen, wo er mit dessen Präsidenten Walter Kasper zusammenarbeitete. Ein Jahr später sandte ihn der Papst als Erzbischof nach Quebec, im Folgejahr ernannte er ihn zum Kardinal. Benedikt XVI. holte Ouellet 2010 von Quebec nach Rom und betraute ihn mit der Leitung der Bischofskongregation.
Nach Benedikts Rücktritt am 28. Februar 2013 ging Ouellet als einer der möglichen Favoriten in die Papstwahl. Im ersten Wahlgang des Konklaves lag er mit 22 Stimmen an dritter Position – nach Angelo Scola mit 30 und Jorge Bergoglio mit 26 Stimmen. So schreibt es zumindest der irische Vatikan-Experte Gerard O'Connell in seinem Buch "The Election of Pope Francis". Der neue Papst hielt von Ouellet so viel, dass er ihn bereits drei Tage nach der Wahl als Chef der Bischofskongregation bestätigte. Und als Franziskus im Juni 2018 die Gruppe der Kardinalbischöfe von sechs auf zehn erweiterte, war Ouellet dabei.
Maßgeblich an Vorbereitung der Sondersynode zu Amazonien beteiligt
Neben seiner Aufgabe als Präfekt der Bischofskongregation ist der Nordamerikaner zudem Präsident der Päpstlichen Lateinamerikakommission. Damit ist er maßgeblich an Vorbereitung und Durchführung der Sondersynode zu Amazonien beteiligt, die im Oktober in Rom stattfindet.
Als der Vatikan am 9. Mai den päpstlichen Erlass "Vos estis lux mundi" zu Ermittlungen gegen Missbrauch und Vertuschung veröffentlichte, war Ouellet einer derjenigen, die diese Maßnahme mit Stellungnahmen auf dem Portal Vatican News begleitete. Dabei trat er Befürchtungen entgegen, die Normen könnten instrumentalisiert werden, etwa um Unschuldige in Misskredit zu bringen. Eine rasche Anzeige von Verdachtsfällen helfe ja nicht nur den Opfern – sondern auch eventuell fälschlicherweise Angeklagten, die mit einer zügigen Prüfung ihres Falles ihren Namen schnell wieder rein waschen könnten.