Bad Mergentheim – seit 800 Jahren vom Deutschen Orden geprägt
Auch mehr als zwei Jahrhunderte nach dem Umzug der Zentrale des Deutschen Ordens von Mergentheim nach Wien prägen die Gebäude und die Geschichte der Gemeinschaft den Ort im Taubertal. Wie seit Jahrhunderten bestimmt das massive Gebäudeensemble rund um das ehemalige Wasserschloss am Rande der historischen Altstadt das Ortsbild.
"Die Geschichte Bad Mergentheims wird seit 800 Jahren vom Deutschen Orden geprägt", beschreibt Oberbürgermeister Udo Glatthaar (CDU) die Situation der 23.000-Einwohner-Stadt im fränkischen Nordosten Baden-Württembergs. Wenn der Orden feiert, feiert die Stadt. Und das geschieht in diesem Jahr ganz groß. Ein Tag der offenen Tür am 16. Juni lädt vor allem Familien ein, eine Ausstellung widmet sich der teilweise problematischen Geschichte des Ordens, und zum Abschluss des Jubiläumsjahrs will am 15. Dezember der Hochmeister des Ordens, Frank Bayard, zu einem Festakt aus Wien nach Bad Mergentheim kommen.
Verschmelzung der Geschichte von Stadt und Orden
Begonnen hatte die Verschmelzung der Geschichte von Stadt und Orden vor 800 Jahren: Am 16. Dezember 1219 trat Andreas von Hohenlohe der Gemeinschaft bei und übertrug ihr Ländereien und Rechte. Kaum drei Jahrzehnte zuvor war der Orden entstanden – im Zusammenhang mit einem Feldhospital norddeutscher Kaufleute, das beim Dritten Kreuzzug im Zuge der Belagerung Akkons im Heiligen Land errichtet worden war.
Ebenso wie Johanniter, Malteser und Templer wollte der Deutschorden Pilger im Heiligen Land versorgen und die zentralen Stätten des Christentums vor dem Islam schützen. Ab Ende des 13. Jahrhunderts entstand im heutigen Baltikum der Deutschordensstaat, der 100 Jahre später eine Fläche von 200.000 Quadratkilometern umfasste – eine nicht unproblematische und bis heute in Osteuropa mit vielen Ressentiments belastete Geschichte.
Nach einem Krieg mit der Polnisch-Litauischen Union und einer langen Auseinandersetzung mit Preußen begann der Niedergang des Staates. Der führte dazu, dass sich der Orden wieder an seine weit verstreuten Besitzungen in anderen Teilen Europas erinnerte und seine Zentrale 1525 nach Mergentheim verlegte. Dort blieb sie bis zur Säkularisation und fand anschließend bei den Habsburgern in Wien Unterschlupf.
Einmalige Beiordnung der Schwestern zu den Brüdern
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Orden aufgehoben, Besitz konfisziert. Trotzdem galt der Orden im Kalten Krieg in den Staaten des Warschauer Pakts als Symbol der Angst vor einer Grenzrevision. Wie lebendig die Geschichte blieb, zeigte zuletzt etwa die Fußball-Europameisterschaft 2008: Im Zusammenhang mit einem Spiel gegen Deutschland stellte das polnische Boulevardblatt "Fakt" den damaligen Kapitän Michael Ballack im Ordensmantel mit schwarzem Kreuz auf weißem Grund und mit einer Pickelhaube dar.
Einmalig für einen katholischen Orden ist, dass die Schwestern als Kongregation den Brüdern beigeordnet sind und Generalkapitel und Generalrat gemeinsam bilden. Eine Konstruktion, deren Auswirkungen sich als schwierig erwiesen: Zum Abbau eines Schuldenbergs von 68,5 Millionen im Männerzweig wurde 2002 das für die Altersabsicherung der Frauen aufgebaute Vermögen verbraucht.
Linktipp
Weitere Informationen zum Jubiläum des Deutschen Ordens und dem Programm des Deutschordensmuseums in Bad Mergentheim finden Sie auf der Internetseite des Museums.Maike Trentin-Meyer, Chefin des Deutschordensmuseums, will, dass sich im Jubiläumsjahr mehr als die rund 30.000 Besucher im Vorjahr mit der "widerständigen Ordensgeschichte" befassen, die Bedeutung für ganz Deutschland und speziell für den Südwesten der Republik habe. Nicht nur die Museumsexponate, sondern auch das Schloss neben dem im 18. Jahrhundert angelegten Park ist außergewöhnlich.
Von Kampf heute keine Spur mehr
Besichtigt werden können Repräsentationsräume, darunter der des Generalkapitels, an dessen Wänden in Stuck ein Lobpreis auf den Kampf des Ordens gegen die Ungläubigen angebracht ist. Mit den Symbolen für die vier Kontinente eine Allegorie für Weltherrschaft. Zur angrenzenden Schlosskirche gehört die Hochmeisterempore, von der aus die Chefs der Gemeinschaft an den Gottesdiensten teilnahmen.
Heute ist der Hochmeister für rund 100 Priester, etwa 200 Schwestern und 900 Familiare verantwortlich. Eine Gemeinschaft mit vier Ordensfrauen lebt wieder an der Tauber und hilft in einem Krankenhaus. Die Aufgabengebiete heißen heute Bildung und Soziales. Von Kampf keine Spur.