Ohne Partner rutscht man in der Kirche oft durch das Raster
Die Klagen kamen direkt nach dem Valentinsgottesdienst: "Ihr macht immer nur was für Paare, nie für Singles", murrte es nach der ökumenischen Feier am 14. Februar in Essen. Kein Wunder: Fast 40 Prozent aller Haushalte in der Großstadt sind Single-Haushalte. "Da haben wir uns gedacht: 'Okay, wir können auch einen Single-Gottesdienst anbieten'", sagt Martina Stodt-Serve, Gemeindereferentin und Leiterin der Gemeinde St. Andreas in Essen. Gemeinsam mit der Gemeinde der evangelischen Reformationskirche lädt sie diese Woche zum Single-Gottesdienst. Denn wie beide Gemeinden Liturgie für Paare anbieten, wollen sie auch bei Angeboten für Singles zusammenarbeiten.
Wer ohne Partner lebt, rutscht in der Kirche oft durch das Raster: Bis zum Jugendalter sind Messdiener oder die jungen Gemeinden Ansprechpartner, danach geht es erst mit der Ehepastoral weiter. Wer nicht heiratet und keine Kinder bekommt, für die oder den werden die Angebote dünn. "Das ist eine Lücke in der Pastoral", stellt auch Stodt-Serve fest, "es gibt fast keine Vorbilder, wir mussten also etwas Eigenes kreieren." Unter dem Motto "Du bist nicht allein" wird es um den bekannten Text "Spuren im Sand" gehen, also dass Versprechen Gottes, jedem zur Seite zu stehen. Im Mittelpunkt wird die biblische Purpurhändlerin Lydia stehen, eine selbstbewusste Single-Frau, die nach der Begegnung mit dem Apostel Paulus den Glauben weitergibt.
Singles mit unterschiedlichen Hintergründen
Nach dem Vorbild Lydias wollen wie beiden Initiatorinnen des Gottesdienstes, Stodt-Serve und die evangelische Pfarrerin Sabine Grüneklee-Herrmann, sowie das Vorbereitungsteam Singles ganz unterschiedlicher Couleur und Altersstufen ansprechen: "Wir kennen natürlich vor allem geschiedene oder verwitwete Singles, manchmal auch einige aus der Jugendarbeit. Wir wollen aber auch an die herankommen, die sonst herausfallen: Die ohne Partner leben und auch nie verheiratet waren", so Stodt-Serve. Die Lebenssituationen sind dabei sehr verschieden: Vor allem Ältere sind einsam oder trauern um einen Partner, unter den Jungen gibt es hingegen viele, die mit ihrer Situation sehr zufrieden sind und keinerlei Mangel verspüren. Um sie alle zu erreichen, soll der Gottesdienst das Individuum thematisieren und jeder Einzelne die Möglichkeit haben, sich einzubringen. "Wir wollen niemanden ausschließen. Kommen dürfen alle, die ihrer Einzigartigkeit nachspüren wollen." Denn selbst wer in einer Beziehung lebt, ist mehr als nur Teil der Beziehung, sondern immer noch ein vollumfängliches Individuum.
Vorbilder für solche Gottesdienste sind eher spärlich: Im März gab es schon einmal einen Single-Gottesdienst in Köln. Die entsprechende Abteilung für Single-Pastoral im dortigen Generalvikariat gibt es seit Herbst 2016 und ist noch im Aufbau. Referentin Hedwig Lamberty berichtet von vielen Singles, die "sehr froh sind, dass die Kirche sie nun in den Blick nimmt". Das sei nur folgerichtig, sagt Stodt-Serve: "Singles haben kein Defizit, sie sind nicht schlechter oder besser als andere."
Ein anderes Konzept des Single-Gottesdienstes kommt aus Polen: Dort richten sich entsprechende Messen vor allem an junge Christen zwischen 20 und 40 – um sie zu verkuppeln. Die dortigen Pfarrer sind froh, wenn sie die Gottesdienstteilnehmer über kurz oder lang hinter dem Traualtar wiedersehen. Das haben die Verantwortlichen in Essen aber nicht im Sinn. Sie sehen den Gottesdienst eher als Startpunkt. Beim anschließenden Grillen wollen sie mit den Singles ins Gespräch kommen und ihre Wünsche und Bedürfnisse erfahren. "Vielleicht ergibt sich ja etwas", hofft Stodt-Serve. Wenn es gut läuft, sollen weitere Initiativen für Alleinstehende folgen. "Wir wollten kein Angebot auf dem Reißbrett machen und die Leute dann nur damit konfrontieren. Wir wollen Formate, auf die die Singles auch Lust haben."
Alleinstehende haben ihren Platz
Wenngleich in der kirchlichen Verkündigung Ehe und Familie oft hoch im Kurs stehen, Singles haben auch ihren Platz: "Schließlich stehen Priester auch hoch im Kurs", schmunzelt Stodt-Serve. Doch auch abseits vom zölibatären Leben sieht sie, die selbst verheiratet ist, Vorteile im Singleleben. Denn schließlich ziehe man sich ja auch in Exerzitien zurück, um sich auf Gott zu besinnen. "Das kann man nicht alles in Gemeinschaft machen. Es ist vielleicht ein Pulspunkt des Single-Daseins, dass man besser hinhören kann."
Gleichzeitig hat sich die Gesellschaft verändert: Es ist noch gar nicht so lange her, da war es schwierig, als Single zu leben – für Frauen war es beinahe unmöglich. Doch das Frauenbild hat sich verändert, Frauen können für sich selbst sorgen und brauchen keinen Mann an ihrer Seite. Auf diesen Wandel müsse auch Kirche reagieren, sagt Stodt-Serve, und Singles gerecht werden. "Wir müssen fragen, wie wir sie begleiten können und was sie brauchen. Dafür brauchen wir aber erstmal den Kontakt." Das soll mit diesem Gottesdienst gelingen. Ausgang offen.